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Zopf und Rike und die Schweine aus dem Weltraum

 

 

Das einundzwanzigste Kapitel, in welchem unsere Freunde das Schlimmste befürchten, aber Ärwin eine rettende Idee hat

 

 

 

 

 

 

Der Gang, in den sie mit den anderen Zirkusleuten jetzt langsam einzogen, war nur von einigen Fackeln erleuchtet, kalt, feucht und sehr lang - Zopf und Rike konnten sich wirklich angenehmere Orte vorstellen. Als dann auch die letzten Menschen und Wagen hinter ihnen im Tunnel waren, schloss sich ein großes Tor und sie standen komplett im Dämmerlicht. Die Soldaten ritten nach vorne und verließen durch ein vorderes großes Tor den Tunnel. Es ging weder vor noch zurück. "Das machen die doch nur, damit wir Angst kriegen" flüsterte Rike ihrem Freund zu. Leider erreichten Raburak und seine Leute auf diese Weise auch ihr Ziel, denn mit jeder verstreichenden Minute nahm ihre Angst zu.

Dann öffnete sich weit vorne das  große, knarzende Holztor wieder und ein heller Lichtschein war zu sehen, aber kurz darauf schloss das Tor sich wieder und das Licht verschwand. Danach geschah eine Zeit lang nichts und dann rückten die Zirkusgruppen langsam auf. Nach einiger Zeit öffnete sich das Tor wieder, schloss sich erneut und wieder ruckelten alle einige Meter nach vorne. So ging das immer weiter und es dauerte und dauerte. Gustav machte ein immer bedenklicheres Gesicht: "Die holen nach und nach jeden Wagen rein und durchsuchen ihn; auf diese Weise kontrollieren sie alle Menschen und Tiere. Anders kann ich mir das nicht vorstellen." "Aber dann sind wir ja in größter Gefahr!" rief Rike aus. "Dich erkennen sie auf jeden Fall, Gustav. Du hast hier gearbeitet - und ich mit meiner dunklen Hautfarbe werde auch sehr auffallen. Meine Mutter hat die gleiche Hautfarbe und ist hier in dieser Burg gefangen. Die müssen doch nur eins und eins zusammenzählen. Wir werden sofort in den Kerker geworfen und wir haben nicht einmal eine Chance zu fliehen. Hinter uns sind die Tore doch auch verschlossen."

"Naja, ob ich erkannt werde, ist nicht sicher," - Gustav versuchte die Anderen zu beruhigen. "Ich habe ja in den Königsgemächern gearbeitet und nicht jeder Soldat, der uns jetzt kontrolliert, kennt mich. Es bleibt ein Glücksspiel. Aber bei dir ist die Gefahr wirklich viel größer, Rike." 

Da meldete sich Ärwin, der Lungenfisch: "Wemmer jetz uns all at schwatz bepinsele däte, dann dät dat jar nit mie esu aufffalle, datt de Prinzesin dunkel is. Dann simmer et nemisch all." Trotz der großen Gefahr, in der sie steckten, mussten alle erleichtert grinsen. Ärwin schaffte es doch immer wieder, sie aufzumuntern. Aber nach einiger Überlegung meldete sich Zopf und sagte: "...das ist immerhin eine kleine Chance. Aber womit sollen wir das denn jetzt machen?". Wieder war es Ärwin, der die Lösung wusste: "Dann nemme mr doch mir nix dir nix jet Ruuß von denne Fackele he. Nur uffpasse, dat ir üsch nit verbrenne tut!" Also nahm Gustav unauffällig eine Fackel aus ihren eigenen Vorräten, zündete sie an einer der Fackeln an der Tunnelwand an und tauschte die beiden Fackeln dann blitzschnell aus. Die runtergebrannte Fackel löschte er sofort, indem er die Flamme mit einem alten Lappen erstickte. Das machte er, damit der Rauchgeruch sie nicht verraten konnte. Sie warteten eine kurze Zeit, bis die Fackel abgekühlt war und dann begann das Schminken. Zuerst Zopf und dann Gustav. Sir William wollte auch angemalt werden, aber da drauf verzichteten sie lieber. "Un jetz dat Rike," rief Ärwin. Gustav wunderte sich schon wieder über die Klugheit des Lungenfisches. Natürlich war Rike schon von Natur aus dunkel, aber wenn sie auch mit dem Ruß von der Fackel geschminkt würde, sähe sie den anderen noch ähnlicher, nämlich wie angemalt. Also wurde auch das, so wie von Ärwin vorgeschlagen, gemacht.

Obwohl sie sich jetzt so weit vorbereitet hatten, dass ihnen nichts weiter einfiel, was sie noch vorbereiten konnten, wurde ihre Angst kaum geringer. Dann jedoch, als sie gleich an der Reihe waren und direkt vor der Holztüre standen, wurden Rike und auch die anderen ganz ruhig. Wenn jetzt etwas passieren sollte, könnten sie sowieso nichts daran ändern. Es war also besser, mit klarem Kopf zu reagieren und nicht mit großer Furcht. Auf der Türe vor ihnen, direkt vor ihrer Nase sahen sie ein Schild mit der strengen Aufschrift: "Den Anweisungen der Kontrolleure ist absolut und auf jeden Fall Folge zu leisten, andernfalls ist der Eintritt verboten und der Zuwiderhandelnde wird empfindlich bestraft! Reden sie nur nach Aufforderung!". Schon wurden sie wieder nervös, aber da öffneten sich die Türen und sie zogen langsam in die Burg ein. Erst einmal waren sie geblendet, als sie im strahlenden Sonnenlicht standen, und dann, als sie sich langsam an die Helligkeit gewöhnt hatten, erkannten sie, dass es jetzt sehr brenzlig wurde. Zwölf große, bewaffnete Wachleute umringten sie und einer kam direkt auf sie zu. "So, ihr drei, da es gefährlich für uns ist, Fremde in die Burg zu lassen, werdet ihr jetzt gründlich durchsucht. Und wenn uns irgendetwas auffallen sollte, vielleicht habt ihr ja Waffen dabei oder ihr verheimlicht uns irgendetwas, dann werdet ihr sofort wieder weggeschickt oder sogar bei Wasser und Brot im Kerker eingesperrt." Schon während er das sagte, kamen drei der Wachen auf sie zu und fingen an, den Wagen zu durchsuchen und Zopf, Rike und Gustav abzutasten. "Vorsichtig bitte," rief Zopf, "damit ihr unsere Schminke nicht verwischt, denn das ist immer so aufwändig, sich neu zu schminken." "Du hast uns gar nichts zu sagen," rief einer der Wachleute sofort, aber die Männer wurden trotzdem etwas vorsichtiger. Da fiel Rike plötzlich etwas ein und sie bekam einen riesigen Schrecken. Was, wenn beim Durchsuchen des Wagens der Lungenfisch entdeckt würde. Wie sollte man denn bloß den Wachen erklären, was das für ein Tier war. Und auch Zopf und Gustav verfolgten gebannt die Durchsuchung des Wagens.

Aber, sehr zur Verwunderung unserer Freunde, war mit dem Wagen und mit ihnen alles in Ordnung. Keiner erkannte Gustav oder brachte Rike mit der gefangenen Königin in Verbindung. Eine der Wachen hatte sogar ein paar anerkennende Worte für sie: "Euer Wagen ist bisher der schönste," sagte er, " aber auch bei den anderen sind einige wirklich tolle Wagen dabei. Ich freue mich schon auf das Spektakel." Also verteilte Gustav an die Wachleute Freikarten für einen kostenlosen Blick in die Zukunft und auch der gestrenge Hauptmann bekam Karten für sich und seine Frau und bedankte sich sogar.

Ein anderer Wachmann wurde abkommandiert um sie zu ihrer Unterkunft zu bringen. Als sie endlich in ihrem kleinen Schlafraum mit dem Stall daneben angekommen waren, schaute Rike alle an und stellte dann zuerst die entscheidende Frage: "Wo ist Ärwin?" - Keiner wusste es und der Lungenfisch blieb zunächst auch verschwunden. Die Aussicht, dass sie bald nach ihm suchen könnten wurde schließlich komplett vereitelt, als ein weiterer Soldat zu ihnen kam und sagte: "Alle Zirkusleute werden gebeten, zum Sammelplatz zu kommen, die Planungen für die nächste Woche beginnen in einer halben Stunde." So machten sich Zopf, Rike und Gustav mit Sir William und dem Wahrsagerzelt-Wagen auf den Weg. Als sie zum großen Platz kamen, wurde ihr Wagen sofort vermessen und der Platzwart wies ihnen einen Platz zu, an dem sie in der kommenden Woche ihre Künste vorführen sollten. Leider war ihr Platz in der ersten Reihe und von überall gut zu sehen. Das machten die Planer wohl, weil der Wagen so schön war. Für ihr Vorhaben, die Burg zu erkunden, war der Standort jedoch wirklich schlecht. Dann, als alle Wagen aufgestellt und alle Gruppen ihren Platz gefunden hatten, trafen sich alle auf dem Platz vor der großen Manege im Zentrum des Kirmesdorfes, gleich bei ihrem Wahrsagezelt. 

Aber wo steckte Ärwin denn nun eigentlich und wie ging es ihm?

Natürlich ging es ihm gut. Der kluge Fisch hatte sich gleich gedacht, dass er auf keinen Fall entdeckt werden durfte. Denn erstens wusste er gar nicht, ob die Menschen in der Rabenburg überhaupt Lungenfische kannten - er wollte ja nicht für Proviant gehalten werden. Und zweitens, war ihm direkt klar, dass bei seiner Entdeckung ja auch das Geheimnis der Wahrsagerkugel aufgedeckt wäre. Zumindest so, wie er sich die Zukunftsprophezeiung vorstellte.

Also hatte sich Ärwin, gleich nachdem alle geschminkt waren, aus dem Wagen fallen lassen und war im dunklen Gang bis vorne ans Tor geschlichen. Als sich das Tor dann öffnete, schlüpfte er unbemerkt in die Rabenburg und drückte sich in die ersten Schatten gleich links. Das war zufällig der Anfang einer engen dunklen Gasse, die in die Wohnviertel der Rabenburg führte. Alles was Ärwin jetzt und danach sah, war sehr ärmlich. Nur der große Platz, auf dem alle kontrolliert wurden, war prunkvoll gestaltet und machte etwas her, aber je weiter der Lungenfisch marschierte, desto mehr schwand die Pracht der Bauten. Die Häuser waren baufällig, überall blätterte die Farbe ab. An vielen Wänden gab es große Löcher im Putz. Nur wenige Menschen waren unterwegs und die steckten ausnahmslos in alten abgetragenen Kleidern. Dann aber, als er schon schier verzweifeln wollte, bei dem ganzen Elend, sah er etwas, dass ihm den Atem verschlug. Er hatte ja noch nicht so viel Erfahrung mit dem Leben in der Neuzeit. Selbst die Urzeit, aus der er kam, hatte ihn ja zuletzt sehr überrascht. Aber das, was er jetzt sah hatte er noch nie gesehen und Fridi hatte ihm davon auch nicht erzählt. Denn auf einem kleinen Platz zwischen einigen flachen Häusern, hatten sich Menschen zusammengefunden, die komische Sachen machten und einige andere schauten zu und klatschten immer wieder in die Hände. Dabei lachten diese oft oder beschimpften die Menschen, die vorne etwas vorspielten oder unterhielten sich leise mit ihrer Nachbarin über das, was sie sahen. Ärwin schlich sich nach vorne unter eine Plane, die einen Sägebock abdeckte, von wo aus er gut zuschauen konnte ohne selbst entdeckt zu werden. Außerdem konnte er gut den Kommentaren der Zuschauer in der Nähe lauschen. Also wusste er nach kurzer Zeit, dass das was er sah ein Theaterstück war. Bald hatte er auch verstanden, dass den Zuschauern etwas vorgespielt wurde. Auch die Frauen und Männer, die zuguckten wussten das. Aber dennoch litten sie mit den Akteuren mit und verhielten sich so, als wäre das, was sie sahen, die Wirklichkeit. Zuerst wunderte sich Ärwin sehr, aber bald merkte er, dass es ihm ebenso erging. Am liebsten hätte er das böse Königspaar von der Bühne geholt und verprügelt. Um so erfreuter war er, als es am Ende dann eine glückliche Wendung gab und alles sich zum Guten fügte. Nachdenklich schlich er durch die Schatten weiter um den Wahrsagerwagen unserer Freunde zu suchen. Auf der Suche ging ihm immer wieder sein neues Lieblingswort "Hurlyburly" durch den Kopf. Am meisten hatte er jedoch über die Prophezeiungen der Hexen auf der Bühne nachzudenken. So einen herrlichen Blödsinn hatte man ihm vorgespielt - sowas wollte er auch mal machen, irgendwann.

zum zweiundzwanzigsten Kapitel

 

 

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