
Zopf und Rike und die Schweine aus dem Weltraum

Das erste Kapitel, in welchem die Erde gleich zu Beginn entdeckt wird, damit unsere Geschichte dort überhaupt stattfinden kann
Vol wurde ganz langsam wach. Genauso wie sie es sich gestern vorgestellt hatte. Sie hatte ganz entspannt wach werden wollen. Ganz sanft. Leise Musik sollte sie wecken, die dann allmählich lauter werden würde. Deshalb hatte sie auch ihren neuen Radiowecker so eingestellt. Erst fing er leise an und dann wurde er langsam lauter. Sie blinzelte. Sie hatte so gut und ausgiebig geschlafen wie lange nicht mehr und fühlte sich richtig fit und tatendurstig. Ihre Koje war noch warm von der Nacht und sie setzte sich langsam auf, wobei sie sorgfältig darauf achtete, dass die Decke nicht von ihrer Schulter fiel, damit ihr die Wärme noch eine Zeit lang erhalten bliebe. Der Radiowecker war jetzt bei Zimmerlautstärke angekommen. Nicht zu laut und nicht zu leise. Perfekt. Gestern vor dem Einschlafen hatte sie ihren Lieblingssender eingestellt und freute sich jetzt auf aktuelle Musik aus den Hitparaden. Auf das, was sie tatsächlich hörte, war sie allerdings nicht vorbereitet:
„…und hier ist wieder das unwiderstehliche Radio Pomponella mit dem besten Wunschkonzert des gesamten südlichen Weltalls, hahaha. Und der nächste Hörer ist auch schon am Telefon und leif auf Sendung. Hallihallo, Dein Name ist Kol. Kol, du bist Astronaut und immer viel unterwegs, auch in anderen Zeiten und Welten, hahaha. Woher weißt du denn, dass dein Wunsch ankommt.“ „Ähm, ach, das habe ich im Gefühl.“ „ Aha, ein Astronaut mit Gefühl, hahaha. Und welchen außerpomponellischen Musikwunsch hast Du?“ – „Ähm, ich wünsche mir, daß meine Freundin Vol, ähm, die im Weltall unterwegs ist, irgendwo, ähm, wahrscheinlich, ääh, zwischen Sirius und der Beteigeuze, einen angenehmen Start in den Tag hat, und äh, als Musik wünsche ich mir für sie das Sternenwandererlied „Weißt du wie viel Sternlein…?“ und ich hoffe, daß wir uns bald wieder sehn, wo auch immer…“ – „Ach wie romantisch… Danke Kol hier ist dein Wunsch und deiner Freundin vom Sirius, hahaha, wünschen wir außerdem einen guten Empfang von Radio Pomponella.“ „So ein Witzbold“, dachte Vol überrascht, wobei sie gar nicht genau wusste, ob sie damit ihren Lieblingsdiscjockey LaBerhash meinte oder ihren Freund Kol. Sie freute sich aber umso mehr über den seltsamen und unerwarteten Gruß. Und sie genoss ihr Lieblingslied.
Natürlich würde sie Kol bald wiedersehen, dass wusste er genauso gut wie sie. Erst gestern hatte sie ihn gesehen, und heute würde sie ihn ganz sicher auch sehen. Es blieb ihnen ja gar nichts anderes übrig, wenn sie nicht Verstecken spielen wollten. Sie befanden sich schließlich beide an Bord des gleichen Raumschiffes und viele Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen, gab es hier nicht. Gleich, wenn sie zum Frühstück in den Aufenthaltsraum gehen würde, müsste er ihr eigentlich schon über den Weg laufen. Spätestens aber danach, auf der Kommandobrücke. Der Gruß war also eher ein Scherz. Aber ein cleverer, denn es war sehr einfallsreich von ihm, genau auszukundschaften, wann sie das Radio anschalten würde. Er musste in ihrem Zimmer gewesen sein und den Radiowecker abgelesen haben. „Der Schuft“, dachte sie und zwinkerte. Und während sie so richtig wach wurde, sah sie die kleine Tafel Schokolade auf ihrem Nachttischchen liegen. Da drauf hatte er ein Kärtchen mit einem kleinen Gruß gelegt: „Hallo Vol, hast Du gut geschlafen?“ Er hatte also nicht nur auf den Wecker geguckt, der Schlawiner. „Ja, habe ich und ich bin auch wunderbar geweckt worden“ dachte sie. Sie nahm die kleine Tafel. Es war ihre Lieblingssorte, Schlamm-Nougat. Sie öffnete die kleine goldene Tafel. Während der erste Bissen langsam in ihrem Mund zerging, lächelte sie und dachte: „Die nächste Überraschung werde ich dann wohl vorbereiten müssen.“
Kol und Vol waren Freunde solange sie denken konnte und schon im Sandkasten hatten sie überlegt, eines Tages gemeinsam fremde Welten zu entdecken und auf einem Raumschiff in das Weltall zu fliegen. Damals war das noch ein großes Abenteuer, aber jetzt, viele Jahre später, waren die pomponellischen Raumschiffe so weit entwickelt, dass es fast normal war, ins All zu fliegen. Also hatten sie sich gar nicht erst zu einfachen Astronauten ausbilden lassen, sondern die anstrengendere und viel umfangreichere Ausbildung zum Erforschungs-Astro-Erkunder gemacht. Und sie waren tatsächlich gemeinsam auf ein richtiges Erkundungsraumschiff gekommen. Jetzt bildeten sie mit drei anderen Eliteastronauten eines der mutigen pomponellischen Erkundungsteams. Und ihr Raumschiff, die „Wagemut II“, war das modernste Schiff der Flotte. Sie hatten schon viele Abenteuer erlebt. Allerdings war die Zeit zwischen zwei Abenteuern immer sehr lang. Man musste lange, lange, weiter und weiter durch den unendlichen Weltraum fliegen, bevor man wieder an einen interessanten Stern oder gar Planeten kam, der sich lohnte, erkundet zu werden. Und damit es nicht ganz so langweilig wurde, verkürzten sich Kol und Vol, aber auch die anderen Astro-Erkunder, die Wartezeit mit kleinen Scherzen und Aufmerksamkeiten.
„Jetzt“, dachte Vol, während sie sich fertig machte, „ist es schon sehr lange her, dass wir fremden Boden betreten konnten. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass bald etwas passieren wird.“ Sie zog die Türe ihrer Kabine zu und ging in den Frühstücksraum. Keiner war da. Seltsam. Schnell aß sie ein paar Würmer und etwas Gemüse vom Buffet und nahm sich noch eine Tasse heißen Schlamm aus der Kanne, die dort immer bereitstand. Dann rannte sie zur Kommandobrücke. Ha, hier waren sie alle und keiner schaute sich zu Vol um. Alle murmelten sie etwas wie: „Gumornvolguteschlavn?“ oder „Hallovolkommaher!“ – und schauten weiter auf den Bildschirm. „Was ist denn da so interessant? Lasst mich auch mal gucken, “ antwortete Vol und schob sich zwischen ihre Freunde. Kleine Punkte zeichneten sich auf dem Monitor vom schwarzen Hintergrund ab. Es sah aus wie immer. Sterne. Viel zu sehen gab es nicht. „Das ist alles?“ fragte Vol enttäuscht. „Nein, nicht ganz“, antwortete der Kommandant. „Ich habe hier noch die Ergebnisse der Lasermessung und des Spektrometers und irgendwo da vorne muss etwas sein, was unsere Messgeräte anspricht. Wir haben es nur noch nicht entdeckt!“
Vols Ehrgeiz war sofort geweckt. Sie hatte bisher genau einen bewohnten Planeten weniger entdeckt als Kol und hier war ihre Chance, aufzuholen. Vol folgte bei solchen Herausforderungen immer ihrem Gefühl. Und das war ja immerhin nur einen entdeckten Planeten schlechter als die strenge Wissenschaft, die Kol anwendete. Es stand siebzehn zu sechzehn. Sie schaute sich den Bildschirm an. Irgendwo in dieser Schlammpfütze war der Wurm, wenn man dem Lieblingsspruch ihrer Urgroßmutter glauben konnte. „Na gut“, sagte sie. „Wir sehen einen Ausschnitt einer Galaxie. Ich denke, wir sollten nicht in der Mitte gucken, da ist es vielleicht zu heiß oder es gibt dort ein schwarzes Monsterloch. Kommandant, zeig uns doch mal einen Ausschnitt, vielleicht vom Rand. Gut. Ich würde da in dem Teil dort mal suchen.“ Der Kommandant tat, was Vol ihm sagte. Sie hatten schon recht lange gesucht und jetzt brachten Vols neue Vorschläge etwas Abwechslung in die monotone Suche. Obwohl er nicht wirklich glaubte, dass am Rande einer so wunderbar gleichmäßigen Galaxie irgendwas zu finden war – innen war es doch viel schöner. „Und jetzt verleg dich mal auf den Bereich dort.“ Vol war jetzt Feuer und Flamme. Sie fand die Suche immer sehr aufregend. „Nein, da kann nichts sein, schwenke mal rüber nach rechts und vergrößere das Bild dann ordentlich. Nein. Nein, hier auch nicht. Da ist nur ein unbewohnter Planet mit einem Ring, und ein kleiner roter und mehr nicht. Geh mal in einen anderen Ausschnitt. Halt, da war noch was.“ Ihr Herz pochte wild und sie jubilierte innerlich. Sie liebte dieses Gefühl, kurz vor einer Entdeckung zu stehen. Aus dem Augenwinkel hatte sie beim Umschalten gesehen, dass sich hinter dem Planeten mit dem Ring noch ein anderer versteckt hatte. Sie hatte den richtigen Planeten entdeckt, da war sie sich ganz sicher. Und dabei hatte sie gleich ein ganz komisches Gefühl gehabt. So etwas wie ein kleiner Schauer lief ihr über den Rücken und ihre Borsten stellten sich auf. „Was ist das?“, fragte sie sich. „Ich habe so einen Planeten noch nie zuvor gesehen.“ Während sie auf die Monitore schaute, stellte der Kommandant den entdeckten Planeten scharf ein und über den großen klugen Bordcomputer flimmerten die ersten Daten. Der große kluge Bordcomputer war nur dazu da, schlau zu sein. Und das war er. Er konnte nichts, aber zu allem gab er seinen Senf dazu. Jetzt füllte sich sein Bildschirm mit den ersten Sätzen: +++ wahrscheinlich Leben auf der Oberfläche +++ Wasservorkommen entdeckt +++ Atmosphäre enthält verschiedene Gase +++ Boden ist steinig und mit Pflanzen bewachsen +++…
Professor Irmiguckilus, der sich die Daten ansah, kam zu Vol, legte ihr eine Hand auf die Schulter und sagte: „Interessante Entdeckung. Die Instrumente deuten auf erstaunliche und seltene geologische Formationen hin“. Professor Irmiguckilus Kurukikulitsch hatte die gleiche Farbe wie der neu entdeckte Planet. Der Planet war blau und sah in der Vergrößerung aus wie ein Edelstein auf einem schwarzen Samtkissen. Na ja, wie auf einem verstaubten Samtkissen, denn im Hintergrund leuchteten die Milliarden Sterne, die man im offenen Weltraum so deutlich und klar sehen kann. Wunderschön. Jedenfalls auf den Monitoren. Aus sehr, sehr weiter Entfernung.
„Das wird mindestens noch drei Tage dauern, bis wir da sind, aber ich bin sicher, dass es sich lohnt“. Vol drehte sich nach der Stimme, die sie jetzt hörte, um und musste lächeln. Kol, ihr Freund hatte ihr über die Schulter gespingst. „Herzlichen Glückwunsch“, sagte er, „unentschieden“, und er grinste von einem Ohr zum anderen, denn für den nächsten Planeten waren sie beide als Landeteam vorgesehen. Dieser war der nächste.
Der Kommandant kümmerte sich von nun an um das Raumschiff und dessen schwierige Steuerung und sagte bis zur Landung nichts mehr. Er konnte sehr schweigsam sein. Er bugsierte ihr Schiff, das berühmte Erkundungsschiff „Wagemut II“, immer näher an den gerade erst entdeckten Planeten heran. Drei Tage lang drehte er die kompliziertesten Knöpfe und verschob die vielen hundert Hebel. Dabei half ihm der kleine dumme Bordcomputer. Der kleine dumme Bordcomputer konnte wirklich was. Er berechnete den Kurs, machte Vorschläge zur Steuerung und war auch nützlich, wenn es darum ging, in der Kantine eine frische Tasse heißen Schlamms zu bestellen. Der Kommandant beobachtete alle Anzeigeinstrumente gleichzeitig und er schaffte es, den Meteoriten und Kometen fern zu bleiben, die am Rande von Planetensystemen so häufig auftreten. In den nächsten drei Tagen schlief und redete er überhaupt nicht. Gute Kommandanten können das und unserer war, wie schon gesagt, ein recht guter.
Kol und Vol quatschten dafür später umso mehr. Während sie ihre Ausrüstung für die Landung vorbereiteten, verglichen sie den eben entdeckten Planeten mit Pomponella, ihrem Heimatplaneten.
„Pomponella ist schöner und viel, viel größer.“ – „Irgendwie erinnert er mich trotzdem an Pomponella. Er sieht so gemütlich aus.“ – „Aber blau gefällt mir nicht so gut wie gestreift.“ – „Da war auch nur ein Mond und eine Sonne zu sehen. Das heißt ja, dass es nur einen Sonnenaufgang am Tag gibt. Es wird doch erst ab drei Sonnen richtig schön“. Vol war eine hoffnungslose Romantikerin. Sie saß so gerne zuhause vor ihrer Hütte und trank eine kühle Rugan-Limo während am Horizont die Sonne unterging. Auf Pomponella passierte das fünfmal am Tag. „Warte doch erst mal ab, der sieht immerhin sehr lebensfreundlich aus.“ „Sicher gibt`s da wieder nur irgendwelche Würmer“. „Na und? Wenn sie in schönem, schlammigem Schlamm stecken, mag ich sie sehr gerne – und du auch. Das weiß ich genau. Du hast schon immer gerne die fremden Würmer probiert!“
Unsere beiden Freunde quasselten ununterbrochen und arbeiteten dabei auch fleißig an ihrer Landekapsel. Das Zusammenpacken der Ausrüstung dauerte seine Zeit. Die drei Tage bis sie in die Landeposition gelängen, mussten gut genutzt werden, wenn sie noch etwas faulenzen wollten. Das Packen war vor allem deshalb so schwierig, weil sie nichts vergessen durften. Man wusste leider nie, was einen hinterher erwartete. Also kamen auch die seltsamsten Sachen mit an Bord. Für die Bewohner, wenn es nicht nur Würmer waren, (dafür hatten sie dann ihren Klapplöffel oder wenn`s schnell gehen sollte ihren Rüssel,) gab es Geschenke. Und auch dabei musste man äußerst vorsichtig sein. Was nützt zum Beispiel ein Tretroller als Geschenk, wenn die Bewohner des Planeten nur ein Bein haben? Oder wozu ist ein Schlauchboot gut, wenn es kein Wasser gibt, oder kein Gas zum Aufpumpen. Und ein Fernseher nützt gar nichts, wenn die Bewohner noch so rückständig sind, dass es keine Fernsehsender gibt.
Zum Erkunden musste alles mit, was die pomponellischen Wissenschaftler dafür erfunden haben: Gummiseile, die man auseinanderziehen konnte und die dann auf Knopfdruck fest blieben, damit sie dann nicht mehr zusammenschnurrten – das war platzsparend. Oder selbstgrabende Motorspaten. Oder Wasserverfestiger. Oder Magnetische Zelte. Auf manchen Planeten konnte man diese Zelte an eine Felswand heften, falls der Boden sich nachts erhitzen sollte. Das hatten sie alles schon erlebt und darum diese Erfindungen in Auftrag gegeben. Jetzt hatten sie auch die Klipp-Klappleiter eingepackt und es fehlte eigentlich nur noch der persönliche Rucksack.
Als Allerletztes kam dann der eigene Astronautenanzug dran. Gerade dabei ist die größtmögliche Sorgfalt gefragt, denn jeder der fünf Pomponeller an Bord der „Wagemut II“ sieht anders aus. Für jeden Astronauten müssen also andere Raumanzüge bereitgestellt werden. Zum Beispiel Professor Irmiguckilus Kurukikulitsch, Planetengeologe, der beste seines Faches im gesamten Weltraum. So ein Spezialist muss natürlich an Bord eines Erkundungsschiffes sein. Er ist vierhundertfünfzehn Kilogramm schwer, genau zwei Meter zwanzig groß, hat riesenlange Füße und recht kurze Arme. Und der Anzug darf nicht orange sein, denn der Professor sieht dann mit seiner blauen Haut sehr blass aus. Sein Raumanzug ist eine Sonderanfertigung und einmalig auch für Pomponeller. Eine einzige Firma in der Hauptstadt, stellt solche Maßanfertigungen her und die Raumfahrtbehörde muss lange warten, bis der bestellte Raumanzug für einen Wissenschaftler endlich fertig ist, damit dieser dann auf die nächste Expedition mitkommen kann. Oder die exzellente Ultraübersetzerin Fridilisikusi Rumdrewortilla. Sie wird gebraucht auf Planeten, in deren Atmosphäre die Übersetzungsbrote nicht funktionieren. Mit ihrer erstaunlichen Erfahrung ist sie in der Lage eine fremde Sprache allein durch Zuhören in dreiundzwanzig Minuten zu erlernen. Sie ist für pomponellische Verhältnisse sehr klein und leicht und bei ihrem Raumanzug war es schwierig, alle Instrumente und Überlebensgeräte auf so kleinem Raum unterzubringen und den Raumanzug außerdem noch elegant aussehen zu lassen – denn Fridi, so nennen ihre Freunde sie, ist sehr modebewusst.
Es gibt natürlich auch pomponellische Raumschiffe, auf denen alle Besatzungsmitglieder fast gleich aussehen. Bei den Pomponellern kamen nämlich alle Astronauten einer Größe und Dicke auf ein Raumschiff und dann konnte man da alles in der gleichen Größe einbauen. Alle Stühle waren gleich groß, alle Betten gleich lang und alle Waschbecken gleich nass. Dass alle Astronauten gleich aussehen, ist also sogar auf den meisten Patrouilleraumschiffen so. Das sind die Raumschiffe, die in den schon seit längerem entdeckten Gegenden des Weltalls hin und herfliegen, und nachsehen, ob alles in Ordnung ist und ob es vielleicht irgendwo Abkürzungen zwischen zwei Sternensystemen gibt. Die Raumschiffe sehen alle gleich aus, sind nur unterschiedlich groß. Je nach dem, ob die Besatzung groß ist oder klein. Solche Patrouilleraumschiffe reisen auch nur kurze Zeit durch den Weltraum und kommen alle paar Jahre zurück nach Pomponella. Viele Pomponeller machen in ihrem Leben einen Raumflug auf so einem Schiff, um einmal die Weite des Universums kennenzulernen, bleiben danach aber dann auf ihrem schönen Planeten.
Auf einem besonderen Erkundungsraumschiff jedoch, wie es die „Wagemut II“ war, sind nur die allerbesten Astronauten und Wissenschaftler, denn sie wollen doch hinaus in die fremden Gegenden des riesigen Weltalls und wollen Neues entdecken. Das sind die klügsten und mutigsten Pomponeller – und die sehen wirklich alle unterschiedlich aus. Es wäre wohl auch ein großer Zufall, wenn zwei Raumfahrer die zu den Besten gehören, gleich aussehen. Also gibt es kleine, große, dicke, dünne, rote, gelbe oder grüne Pomponeller auf Erkundungsschiffen, wie der „Wagemut II“. Manche haben einen Eierkopf mit einem langen Rüssel, andere haben große Augen oder ganz lange spitze Ohren. Bei anderen sieht man die Ohren fast gar nicht. Nicht nur weil sie lange Haare haben. Trotz der Unterschiede im Körperbau sehen Sie aber alle ein bisschen aus wie ein Schwein. Und mit einer kleinen Besatzung von sehr unterschiedlich aussehenden Schweinen – pardon, Pomponellern – war unsere „Wagemut II“ besetzt.
Jeder Astronaut hatte hier an Bord also seinen eigenen Raumanzug – und den durfte er auf gar keinen Fall verwechseln. Das war nicht so leicht, denn die Pomponeller haben im Mannschaftsraum keinen eigenen Platz für ihre Sachen. Sie sind eigentlich sehr unordentlich und in der Materialkammer liegt und hängt alles rum, wie Kraut und Rüben.
Zweimal hatte Kol schon in großer Eile seine Ausrüstung aus einem Haufen Ausrüstungsteile in der Materialkammer zusammenklauben müssen, und dabei den Raumanzug des Kommandanten genommen. Der Kommandant sah ihm von allen aus der Mannschaft am ähnlichsten. Er war wie er auch ungefähr zwei Meter groß und recht dünn. Sein Kopf hatte die gleiche Form einer eingedrückten Birne wie seiner, und die Füße waren nur ein kleines bisschen platter. Mit ihrem kurzen Rüssel und dem großen immer freundlichen Mund sahen sie beide fast wie Zwillinge aus – Der Kommandant war allerdings hellrosa und Kol leuchtete dunkelviolett. Die Farbe war für den Raumanzug egal, aber der dicke Bauch passte nicht. Bei der letzten Expedition, auf einen sehr kleinen runzeligen Planeten in der Nähe des Orionnebels, der trotzdem besonders viel Schwerkraft hatte, musste Kol fast drei Stunden in diesem Anzug, der viel zu eng um die Mitte herum war, überstehen, und hatte noch zwei Tage danach richtig übles Bauchdrücken.
Vol hatte keine Probleme, ihre Ausrüstung zusammenzupacken. Sie war die erfahrenste Astronautin Pomponellas und bei den vielen Ausflügen ins Weltall hatte ihr Anzug schon einiges erlebt. Vol – mit vollem Namen hieß sie übrigens Voliampuri Korimpullinowatschowilla – hatte die kleinen Löcher und Dellen im Raumanzug immer sorgfältig geflickt und dabei Materialstücke genommen, die ihr sehr gut an ihrer Ausrüstung gefielen. Stoffe, die sie gefunden hatte oder Material, das ihr geeignet erschien. Ihr Anzug sollte nicht nur funktionieren, sondern auch das Auge erfreuen. Er war also der bunteste von allen – unverwechselbar. Die Flicken machten ihn außerdem dick und schwer und stabil. Vol freute sich darüber sehr, denn so gab er ihr Schutz, und mit ihren zweihundertsiebzig Kilogramm Gewicht, die auf nur einen Meter sechsundachtzig verteilt waren, hatte sie sowieso Kraft ohne Ende. Alle Bewohner von Pomponella hatten kein Fett sondern nur Muskeln. Und die waren hart wie Draht. Das sah man Vol aber nicht an. Sie sah doch tatsächlich einem mittelgroßen, fetten Schwein sehr ähnlich.
Am dritten Tage verstaute Vol gerade die letzten Musikinstrumente und Farbeimer in die gepolsterten Transportkisten, während Kol noch einmal den Würmer- und Gemüsevorrat kontrollierte, der dabei jedes Mal etwas kleiner wurde – als plötzlich die Stimme des automatischen Warnsystems durch die Bordlautsprecher schepperte. „Meteoritenwarnung, höchste Alarmstufe!“ – und obwohl dieser Warnruf auf pomponellisch sehr lieblich klang, wussten Kol und Vol sofort, was sie machen mussten. Die höchste Alarmstufe ließ ihnen ja gar keine andere Wahl. Sie zogen ihre Raumanzüge an und kletterten schnell in die Landekapsel, die zur Not auch ohne die „Wagemut II“ eine lange Zeit Schutz bot. Dann starteten sie die Bordsysteme. Über die Monitore und die Funkleitung konnten sie sofort mit dem Kommandanten im Steuerraum des Schiffes sprechen. Und über die Außenmonitore sahen sie die Bescherung: Überall flogen sie herum, die Meteoriten. Manche so groß wie Kleiderschränke, andere kleiner, wie Küchenmixer. Die waren noch gefährlicher als die großen, denn man konnte sie erst im letzten Moment sehen und wenn sie das Raumschiff treffen würden, könnten auch diese kleinen Brocken lebenswichtige Teile zertrümmern.
Der Kommandant bewies in dieser Gefahr wieder einmal wie gut er war. Er war der beste pomponellische Pilot und ohne seine große Kunst wäre es sicher aus gewesen mit ihnen. Er sagte immer noch kein Wort aber auf seinem Rüssel spielte ein Lächeln, so als hätte er Spaß an dieser Achterbahnfahrt.
Er beschleunigte und bremste, düste nach links ohne die rechte Seite aus dem Auge zu verlieren und ließ sein Raumschiff Kapriolen machen, dass es einen schon vom Zuschauen schwindelte. Manche Meteoriten verfehlte er um Haaresbreite, bei anderen musste er schon im Voraus überlegen, wie das danach folgende Hindernis zu umkurven sei. Immer gelangen ihm aber auch die schwierigsten Kurven. Vol und Kol wurden in ihrer Landekapsel hin und her geworfen, so dass sie sich die Sicherheitsgurte anlegen mussten. Jetzt, in ihren Sitzen, hatten sie einen wunderbaren Blick auf die gefährlichen Meteoriten und im Hintergrund – wie zur Beruhigung – blinzelte ihnen der neu entdeckte Planet zu. Sie waren schon ganz nah und sahen auch, dass sie fast durch das Meteoritenfeld hindurch geflogen waren.
Außer ein paar blauen Flecken von den unsanften Stößen hatten sie keinen Schaden genommen und Vol rief übermütig durch das Bordmikrofon: „Herzlichen Glückwunsch, Kommandant. Du bist echt der Beste!“ Dann stockte ihnen der Atem. Jetzt wurde es doch noch einmal spannend, denn der Kommandant machte etwas, das sie nicht erwartet hatten. Sie riefen beide gleichzeitig: „Reeeeechts!!!“, aber er zog mit einem Affenzahn nach links, obwohl da doch die letzten Hindernisse waren. Und als sie gerade links am letzten Meteoriten vorbeizogen und der Kommandant das Raumschiff wie einen Stein ins Leere plumpsen ließ um auch den nächsten Felsen auszuweichen, sahen sie, warum er nicht auf sie gehört hatte. Rechts erschien ganz nah der aller letzte Meteorit. Er war so groß, dass sie vor Überraschung fast Pickel bekamen. „Kommandant!“, rief Vol und der Kommandant sagte nur (nach drei Tagen die ersten Worte:) „Ich habe ihn schon lange gesehen.“.
Der Felsbrocken war kugelrund, riesig wie ein Berg und über und über mit Kratern und Dellen bedeckt. Die „Wagemut II“ steuerte genau auf ihn zu. Mit einem geschickten Schwenk lenkte der Kommandant sein Schiff so, dass sie einen guten Überblick hatten. Sie würden natürlich knapp daran vorbei kommen aber der Felsklotz nahm Kurs auf den blauen Planeten. Die Gefahr für sie und die „Wagemut II“ war jetzt vorbei aber sie sahen mit Erschrecken was bald passieren musste: Alle anderen Kometen rasten ganz bestimmt vorbei an der Erde – denn der blaue Planet war, wie ihr sicher schon erraten habt, natürlich unsere Erde – und ein paar kleinere Kometen würden wohl in ihrer Atmosphäre verglühen, bevor sie die Oberfläche erreichten. Aber dieser? Wenn er den blauen Edelstein treffen würde, gäbe es eine riesige Explosion – mit ungeahnten Folgen. Vielleicht würde die Erde sogar auseinanderbrechen. Sie mussten etwas tun. „Kommandant“ rief Vol, „gib uns die Starterlaubnis. Wir retten den blauen Planeten!“ Und zu ihrer großen Überraschung stimmte der Kommandant zu: „Wenn`s gefährlich wird kommt ihr sofort zurück – seid vorsichtig!“ Er hatte den kleinen blauen Planeten bei seiner Rettungsfahrt auch liebgewonnen.
