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Das neunte Kapitel, welches mit einigen „Ooohs“ beginnt und mit einem überraschten „Aaah“ endet

„Oooh“, stöhnte Fridi laut auf, als sie langsam wach wurde, zwei Stunden zu früh, weil sie den Radiowecker am Abend falsch eingestellt hatten. Auf die Schnelle hatten sie sich in der Gebrauchsanleitung nicht zu Recht gefunden. Fridi hatte riesige Kopfschmerzen. Ihr Kopf dröhnte und sie sah im ersten Augenblick nur ein Zimmer voller bunter Sterne. Es war früher Morgen, aber Sterne waren im Zimmer nicht wirklich zu sehen. Es waren Kopfschmerzsterne, die sie sah. „Oooh“, stöhnte auch Vol. Sie war wach geworden, weil Fridi „Oooh“ gestöhnt hatte. Weil Fridi jetzt aber hellwach war, rief sie noch einmal „Oooch“, aber schon etwas leiser. Trotzdem war es noch so laut, dass der Professor aus dem Nebenzimmer, so wie gestern Abend, wieder heftig gegen die Wand bollerte. Jetzt waren sowohl Fridi als auch Vol hellwach. Sie schauten sich unglücklich an, denn sie hatten beide die gleichen heftigen Kopfschmerzen. Die lindgrünen Wände in Fridis Zimmer, die beim freundlichen Weckerton automatisch von der Nachtbeleuchtung milde angeleuchtet wurden, waren auch kein großer Trost. Ganz im Gegenteil, denn die fahlen, kopfschmerzblassen Gesichter der Weltraumschweine vor diesem eigentlich recht schönen Hintergrund ließen sie beide nur noch ungesunder aussehen. Sie blickten sich traurig an und das sah so dramatisch aus, dass Vol anfing zu Kichern, dann zu Prusten und schließlich lachte sie lauthals los. Fridi konnte jetzt auch nicht mehr still bleiben und fiel mit ihrem fanfarenschallenden Trompetengelächter ein. Sie lachten und lachten, gleichzeitig unglücklich wegen der starken Kopfschmerzen aber andererseits auch sehr befreit, weil die Situation so überaus spaßig war. Dann bollerte der Kommandant von der anderen Seite gegen Fridis Zimmerwand und die beiden Freundinnen waren sofort ruhiger und kicherten nur noch. Fridi ging zum Zimmergetränkeautomaten und sagte halblaut: „Schlamm, zweimal bitte!“. Zweimal klickte es leise, dann rappelte es im Automaten, ein Becher wurde automatisch auf die Ablage gestellt, ein kleines Edelstahlrohr schob sich darüber, es erklang das bekannte Geräusch, das man aus allen Weltraumbars kennt, wenn die kleinen aromatischen Gesteinsbrocken, die man in den Schlammsteinplantagen von Pomponella erntet, zu Mehl vermahlen werden. Es roch auf einmal intensiv nach dieser typischen Mischung aus heißem Eisen und verschmurgeltem Gestein, dann folgte das Platsch, das auch oft mit dem Stauben des Gesteinsmehles einher geht, (aber nur bei guten Automaten, die mit dem Stein nicht knausern,) nämlich wenn die organischen Bestandteile wie Pflanzenfasern, Wurmkacke, Staubmilben, Hühnerdung und alles übrige, was in den Schlammröstereien immer als Betriebsgeheimnis gilt und was man auch gar nicht wirklich wissen will, als kleine Wurst in den Becher fällt - und dann das befreiende Zischsch, wenn die mehr als kochend heiße Flüssigkeit aus dem Rohr brodelt und sich mit den Bestandteilen im Becher zu dem über alles geliebten Nationalgetränk Pomponellas vermischt. Fridis Schlammmaschine war ein hochmodernes Exemplar, welches vermittels rhythmischer Schüttelbewegungen die Bestandteile homogen verrührte, so dass dem Genießer das mühevolle Quirlen mit dem Schlammspachtel erspart blieb. Der erste Becher wurde zur Seite geschoben und ein zweiter Becher erschien vor dem Wandautomaten und die gleiche Prozedur wiederholte sich. Nein, nicht ganz die gleiche, denn diesmal wurde das recht laute Mahlen vom Geklopfe aus Kols Kabine untermalt. Vol rief noch schnell: “Mit Milch!“ und das Rohr schob sich wieder aus der Maschine und goss einen Schwall Milch hinterher, der nur ein kleines bisschen überschwappte und von dem aufmerksamen Automaten mit einem maschinengehauchten „Entschuldigung, es ist noch früh.“ und einem dreckigen Lappen weggewischt wurde. Fridi und Vol nickten anerkennend, wobei ihr Kopf schon wieder heftig drückte, griffen sich ihre Becher und nahmen jede einen großen Schluck Schlamm. Das war das beste Mittel gegen Kopfschmerzen. Und die Kopfschmerzen hatten sie vom vielen Lachen am Abend zuvor. Leider war das immer die Nebenwirkung von lustigen Pomponellerfeten und auch von einem Nur-zu-Zweit-Lach-Treffen, wie dem von gestern Abend. Jeder gute Gastgeber einer großen Party in Pimpampom hatte deshalb immer mehrere Schlammmaschinen für die Übernachtungsgäste bereitstehen. Und so mancher bessere Partyservice lieferte sie natürlich in seinem teuren, exklusiven „Rundum-Sorglos-Party-und-Eventpaket-mit-Geling-Garantie“ immer mit.

Sie tranken jetzt beide ruhig ihren schön schleimigen Schlamm Schluck für Schluck schlürfend zu Ende, genossen das Nachlassen der Kopfschmerzen, saßen noch fünf Minuten ruhig da und ließen sich das Kichern und Giggeln vom Vorabend im jetzt schmerzfreien Kopf noch einmal herumkreiseln, dann machten sie sich fertig für den Tag.

Ob der Tag fertig für sie war, würden sie gleich sehen. Sie öffneten die Türe ihrer Kajüte und schlenderten Arm in Arm zur Kantine. Der große Raum war noch leer, aber es roch schon sehr gut nach Pomponeller-Müsli. Fridi und Vol gingen zum Büffet und griffen sich jede einen Eimer. Dann tapsten sie langsam an dem Speisenangebot vorbei und nahmen sich, wonach ihnen gelüstete. Eine Handvoll Würmer hier, eine Schüppe Haferflocken da, drei Apfelkitsche, einen Klatsch zerkochten Wirsings, zerdrückte Stachelbeeren und so weiter. Zum Schluss kam nach Geschmack noch etwas Molke oder Joghurt dazu. Natürlich gibt es alle diese Lebensmittel auf Pomponella nicht wirklich. Es sind allerdings die, die hier auf der Erde am ehesten dem entsprechen, was in den riesigen Lebensmittellagern der „Wagemut II“ für die lange Reise gelagert wurde. Als die Pomponeller dann viele, viele Jahre später auf der Erde wirklichen Wirsing vorfanden und tatsächlichen Hafer, da schmeckten diese neu entdeckten Dinge erstaunlicherweise mindestens genauso gut und sogar noch einen kleinen Deut besser, als das bekannte entsprechende Pomponeller-Lebensmittel. In Wirklichkeit, aber das wollte auf Pomponella ja niemals jemand zugeben, schmeckte es fast überall besser als auf Pomponella. Alle Pomponeller wussten das, denn sie waren fast alle schon mal auf einem fremden Planeten gewesen. Man redete aber niemals darüber. Es war eine Tatsache, die einfach nicht erwähnt wurde. Und wenn jemand erzählte, wie gut er in der Nordostecke des Weltalls mal gespeist hatte, dann fing sein Gesprächspartner immer ganz schnell mit dem Wetter an. Auf Pomponella war das Wetter nämlich natürlich viel besser als überall sonst. Darüber wurde nach jeder Weltraumreise immer geredet. Und das war mehr als nur ein kleiner Trost.

Als sich Fridi und Vol ihre Eimer gefüllt hatten und jede eine Suppenkelle aus der Bestecklade genommen hatte, kamen sie zum Schlammautomaten und bestellten sich heißen Schlamm und schlenderten dann an ihren Lieblingstisch. Sie saßen schon eine geraume Weile dort und schaufelten sich ihr Pomponeller-Müsli in den Rüssel, als der Professor hereinkam. Er schlurfte mürrisch zum Schlammautomaten und bestellte sich einen doppelten Schlamm mit Milch und Zucker. Dann kam er zu ihnen an den Tisch. Er konnte kaum aus den Augen gucken, denn er hatte sehr schlecht geschlafen. Es war zu laut gewesen. „Hast du Kopfschmerzen?“ fragte Fridi. Aber bevor der Professor antworten konnte, schlich Kol herein, ging zum Schlammautomaten und bestellte sich einen doppelten Schlamm mit doppelt Milch und ohne Zucker und setzte sich zu ihnen an den Tisch. „Hast du Kopfschmerzen?“ fragte Vol, und bevor Kol antworten konnte stolperte – erraten – der Kommandant herein und setzte sich an den Tisch. „Soll ich dir einen Schlamm holen?“ fragte Fridi. „Ja, aber einen doppelten ohne Milch und Zucker, ich habe nämlich Kopfschmerzen.“, antwortete der Kommandant mürrisch.

Vol und Fridi hatten jetzt ihr Müsli zu Ende gegessen und fingen an zu erzählen, was sie gestern Abend herausgefunden hatten.       

„Komm Irmiguckilus, guck nicht so verschlafen, wir haben etwas entdeckt und waren darüber so erfreut, dass wir gestern Abend und jetzt auch schon wieder in richtig guter Stimmung sind. Das Beste wäre, wenn wir uns das gleich nach dem Frühstück angucken würden.“ Und Fridi erzählte von ihrer Idee, dass die Schrift im Kometen eine Gebrauchsanleitung sein könnte und dass man so vielleicht herausfinden würde was das Geheimnis dieses riesigen fliegenden Brutkastens wäre. Da wurden die drei Männer gleich besser gelaunt und aßen auch noch ein bisschen Müsli.

Draußen war es noch dunkel und sie stolperten fast über Ärwin, der am Fuße der Raumschifframpe saß und auf den Sonnenaufgang wartete. Er war ein Frühaufsteher und aß sowieso immer draußen, weil er die Pomponellerkost so lange es möglich war, vermeiden wollte. „Luurt doch ens op dä Bodde wo ehr hintrodt“, rief er verärgert, aber er schloss sich ihnen an.

Es war schwierig, im Dämmerlicht auf den Kometen zu klettern und die Türe zu finden und Kol nahm den Lungenfisch lieber auf den Arm. Sicher ist sicher. Als sie zur Türe kamen öffnete Vol sie mit dem schon bekannten Quietschen und Kol legte sofort einen Stein dahinter, damit sie nicht wieder zufallen könnte. Im Inneren stolperte der Professor wieder gegen den Lichtschalter und sie gingen zur Strebe, auf der sie die Schriftzeichen gefunden hatten. Jetzt, wo sie ungefähr wussten, wonach sie suchten, sahen sie es sofort. In einiger Entfernung von der Schrift zogen sich haarfeine Linien in Form eines Rechteckes über die Strebe. „Da muss noch ein Teil eingebaut werden!“ rief der Professor. Dann drückte er entlang der Linien auf das Metall und mit einem metallischen Klonk sprang eine Platte raus und das war ein Deckel. Der war so schwer, dass der Professor und der Kommandant gemeinsam anpacken und ihn zur Seite schleppen mussten. Zum Vorschein kamen Kabel und elektrische Schaltkreise und ganz rechts, fast verborgen hinter den vielen Kabeln sahen sie einige leere Stecker. Und dort steckte noch ein Zettel. Es war eine Einbauanleitung und Fridi zog sie sofort raus. Als sie das Papier auseinander faltete, sog sie überrascht die Luft ein: „Das ist jetzt sehr einfach. Die Schrift auf diesem Papier stammt vom Planeten Krustki.“

Erschrocken schauten die anderen sie an. Die Bewohner des Planeten Krustki waren hundsgemeine Lebewesen, die immer danach strebten, anderen zu schaden um selber mehr Macht und Einfluss zu bekommen. Die Krustkis sahen nicht aus wie brave Pomponeller, sondern wie wir Menschen, nur mit spitzen Ohren und die Pomponeller hatten auf vielen ihrer Reisen Kontakt mit ihnen gehabt und meistens war es sehr spannend gewesen. Bisher hatten sie immer die Oberhand behalten, aber hin und wieder hatten sie nur ganz knapp gesiegt. Und so richtig geschadet hatten sie den Krustkis noch nie. Immer noch machten die mit ihren gemeinen Geschäften weiter.

Fridi hatte die Schrift jetzt entziffert und las langsam vor, was sie auf dem Papier etwas holperig übersetzte: „Muss noch eingebaut werden hier tolles Bremsteil, was muss noch geliefert werden von Südostpreiswerttechnikplaneten, was aber ist noch nicht da. Müssen Donnerechsen kommen alleine zurecht. Werden vielleicht gerettet, weil, so viele Kometen sicher einer kommt heil an.“ - Die Pomponeller schauten sich verdutzt an. Dann brach es aus Vol heraus: „Das ist ja supergemein. Die bauen einfach irgendwelche großen Maschinen, wo Tiere ins All geschickt werden und weil die Bremsen nicht rechtzeitig geliefert werden, schicken sie einfach ganz viele los, weil sich sicher irgendwelche gutmütigen Raumfahrer finden, die das Ding dann schon bremsen werden. Oder vielleicht hoffen sie sogar, das die Bewohner von den Planeten die Gefahr bemerken, wenn ein Komet auf sie zu stürzen droht, und irgendetwas tun.“ Auch die anderen waren ganz entrüstet. Fridi meinte: „Dann brauche ich die Gebrauchsanleitung gar nicht mehr zu übersetzen. Diese Technikanleitungen vom Südostplaneten kann man ja auch übersetzt nicht verstehen. Und außerdem wissen wir jetzt sowieso Bescheid.“

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Zopf und Rike und die Schweine aus dem Weltraum

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