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Das sechste Kapitel, in welchem kleine Streitigkeiten nerven und ein Professor ganz blass wird

Aus den Lautsprechern der „Wagemut II“ erklang das Bordradio-Programm, weil der große dumme Bordcomputer es automatisch ausstrahlte, wenn es spannend wurde. Das sollte die Besatzung über die Gefahren auf dem Laufenden halten und die Pomponeller an Bord außerdem ablenken. Zwischendurch gab es immer die neuesten Hits. Aber jetzt gerade sprudelte eine sonore Herrenstimme die folgenden Worte aus dem Lautsprecher: „...der Kommandant ist mit der „Wagemut II“ in eine stationäre Umlaufbahn um den neu entdeckten Planeten Erde eingeschwenkt. Die tollkühne „Wagemut II“ wird dort eine gefährliche Rettungsaktion starten, um die verschollenen Eliteastronauten Kol und Vol zu finden. Kol und Vol waren vor kurzem beim Versuch, den neuentdeckten Planeten zu retten vermutlich abgestürzt und...“ „Schnauze!“ Das Bordradio verstummte beleidigt. Der Kommandant wollte gar nicht hinhören. Er war mit allen seinen Gedanken bei der Steuerung und der bevorstehenden Landung.

Mittlerweile sind pomponellische Rettungsaktionen alltäglich und eigentlich keine Nachricht mehr wert. Aber konzentrieren muss man sich ja trotzdem.

Bei uns auf der Erde sind die Ereignisse rund um die Weltraumfahrt selbst heutzutage, Millionen von Jahren später, viel weniger spektakulär und dennoch nehmen sie mehr Platz in den Nachrichtensendungen ein. Zum Beispiel gibt es bei uns solche Meldungen: „Houston: Die Raumsonde Tirilala ist in eine stationäre Umlaufbahn um den dritten Jupitermond eingeschwenkt. Dort wird sie bleiben, bis Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Die NASA verspricht sich spektakuläre Bilder von der Bordkamera. Vielleicht kann man sogar Steine erkennen...“. So einen Mumpitz hatten die Pomponeller schon seit Jahrzehnten nicht mehr gehört. Die Anfänge ihrer Raumfahrt waren zwar genauso lustig gewesen wie unsere, aber die pomponellischen Nachrichtensprecher hatten einfach besser ausgesehen. Raumschiffe aus Pomponella flogen jetzt schon sehr lange hinaus ins Weltall und die tapferen Raumfahrerinnen und Raumfahrer wussten ganz genau, was in schwierigen Situationen zu tun war. Auf der „Wagemut II“ hatte man deshalb sogar Zeit, sich zu streiten.

Gerade schrie Fridi den Professor an: „Du bist Schuld, dass wir sie aus den Augen verloren haben. Du wolltest unbedingt die geologischen Besonderheiten betrachten. Kol und Vol sind dir doch völlig egal, du willst immer nur Steine haben!“ – „Gar nicht wahr. Wenn wir schöne Steine entdeckt hätten, dann hätte ich sie selbstverständlich nach den Beiden benannt.“ - „Da sieht man es wieder: nur Steine, Steine, Steine...“.

„Ruhe“, rief der Kommandant. „Die beiden sind noch gar nicht gelandet – es hätte doch mindestens einen Riesenknall gegeben, wenn sie aufgeschlagen wären. Oder sie konnten den Kometen bremsen. Dann weiß ich aber auch nicht, wo sie stecken.“

Das Beobachten des Kometen über die Kameras oder durch die Fenster war im Moment leider unmöglich, weil sie immer im Kreis um die Erde flogen. Sie konnten das Gebiet, in dem die Beiden mit dem Kometen wahrscheinlich landen würden - oder schon abgestürzt waren - nur alle dreiundzwanzig Minuten beobachten, nämlich dann, wenn sie auf ihrer Umlaufbahn drüber flogen. Und jeweils kurz vorher und nachher konnten sie in die Nähe gucken. Einmal sahen sie dabei einen Funkenregen, dann waren sie auch schon vorbeigeflogen.

Aber sie sahen keine Explosion oder empfingen keine Notsignale. Das war erst mal beruhigend.

Auch der Anblick des blauen Planeten war beruhigend. Nur für Fridi und den Professor immer noch nicht. Die Beiden verhielten sich äußerst beunruhigend. Jedenfalls für den Kommandanten. Der hielt es nicht mehr aus, wie die beiden immer nervöser hin und her liefen und sich anbrüllten.

„Setzt euch endlich in eure Sessel und macht mich nicht komplett verrückt!“ schrie er. Da setzten sich die beiden widerwillig in die freien Sessel im Kommandoraum der „Wagemut II“, mussten aber immer wieder aus dem Fenster schauen. „Außer einem wunderschönen Planeten gibt es nichts zu sehen“ schnauzte der Kommandant sie an. „Spielt doch Raumschach, Halma oder irgendetwas anderes“.

„Dass der Planet schön ist, sehen wir. Vor allem: schön blau. Aber wir müssen doch irgendetwas tun. Wir können nicht immer nur im Kreis fliegen.“ – „Doch. Es ist nichts anderes möglich.“ Der Professor sah das schließlich ein und sagte: „In einer guten Stunde, wenn die beiden aufgeschlagen, ähem, Entschuldigung, natürlich, ähem, gelandet sind, dann können wir sie suchen“. Damit machte er Fridi mal wieder Mut. Den Professor interessierten bestimmt auch nach der Landung nur die Steine, dachte sie. Aber obwohl Professor Irmiguckilus sich wirklich hauptsächlich für Steine interessierte, hatte er anscheinend ein Herz, das nicht nur aus Stein war, denn er sagte: „Ich wüsste auch gerne, wo die beiden stecken. Vielleicht könnten wir schon mal ausrechnen, wo es am wahrscheinlichsten ist, und an dieser Stelle beim Überflug Bilder machen. Bei einem starken Einschlag muss es dort auf jeden Fall Einblicke in die Gesteinsformationen geben“. Jetzt war es ihm doch tatsächlich schon wieder rausgerutscht.

„Professor, du hoffst doch nicht auf einen Absturz, nur damit du in die Erde gucken kannst?“ Fridi war entrüstet und der Professor wurde rot, beziehungsweise lila, denn er war ja blau. Und blau und rot gibt lila.

„Jetzt ist es aber gut, die beiden sind nicht abgestürzt, denn dann wäre die Explosion schon längst zu sehen oder zu hören gewesen. Die errechnete Aufschlagzeit ist nämlich seit zwei Minuten vorbei.“

Fridi sprang dem Kommandanten vor Erleichterung erst an den Hals, dann fiel ihr ein Stein vom Herzen und dem Professor immerhin auch. Den konnte er nur nicht untersuchen. „Wir beginnen jetzt mit der Suche und dafür müssen wir tiefer fliegen. Schnallt euch an und setzt eure Helme auf“.

Der Suchflug über den Planeten begann. „Ich fliege jetzt in drei Kilometern Höhe. Dabei müsste jede Besonderheit zu sehen sein.“ Der Kommandant hatte sich für diesen klugen Plan entschieden. „Und wenn wir den wahrscheinlichen Landebereich zuerst überfliegen und von da aus im Zickzack, dann dürfte es höchstens ein paar Stunden dauern, bis der Komet und hoffentlich auch Kol und Vol gefunden sind.“

Es dauerte ganz und gar nicht so lange, denn der Komet war in der sanften Hügellandschaft, die sie bei ihrer Suche überflogen, der markanteste Punkt. Er war schon von weitem zu sehen. Sie mussten jedoch dreimal drüber fliegen, bis sie glauben konnten, dass er es wirklich war.

„Wieso ist der denn nur halb zu sehen...?“ – „...und war doch rund und schön. Nun - wahrscheinlich ist er in eine weiche Stelle eingesunken!“ Der Professor hatte mit seiner Vermutung Recht, aber nur fast, denn den See konnte er aus der Höhe nicht sehen, der war zu klein und von vielen urzeitlichen Schachtelhalmwäldern umgeben. Außerdem war er halb ausgelaufen. Und es waren Felsen und Hügel davor, die den Professor ganz aufgeregt und hibbelig werden ließen. Sein Forscherherz schlug im Galopp.

„Ich habe noch keine geeignete Stelle zum Landen gefunden, wir müssen noch tiefer. Ah, da ist vielleicht eine Möglichkeit“. Der Kommandant war ihnen natürlich schon wieder einen Schritt voraus.

Die „Wagemut II“ war nicht so wendig, wie die kleine Landekapsel und sie war viel, viel größer. Schon allein der Antrieb dieses Superraumschiffes war zwanzig Meter lang. Das gesamte Schiff war fast so lang wie ein Fußballfeld und so breit wie ein Piratenschiff. Und es hatte noch an jeder Seite einen Stummelflügel. Zum Glück konnte es auf der Stelle landen, so daß sie nur eine Fläche finden mussten, die Platz für so ein großes Raumschiff bot, und einigermaßen eben war. Die hydraulischen Füße der „Wagemut II“ würden kleinere Unebenheiten dann schon ausgleichen.

Die Ebene, die der Kommandant aus seinem Cockpit gesehen hatte war nicht groß und da sie es jetzt nicht eilig hatten, lies er sich Zeit und beobachtete zunächst die Umgebung. Man konnte ja nie wissen, was einen am Boden erwartete. Er sah aber nichts Gefährliches. Also trank er einen leckeren Schlammtee. Und dann setzte er sanft auf.

Sofort sprangen Fridi und der Professor in ihre Raumanzüge. Der Professor nahm außerdem seine Spitzhacke in die Hand, mit der er immer Steine untersuchte, und Fridi schaute ihn dafür vorwurfsvoll an.

Dann verließen die drei gut ausgerüstet ihr Schiff und schauten von der Leiter aus erst mal auf den neu entdeckten Planeten. Jetzt sahen sie, daß der Komet in einem See gelandet war. Fast genau die Hälfte war noch zu sehen. Der See war fast leergelaufen und eigentlich nicht mehr sehr groß. Allerdings war das gesamte Gelände rundherum sehr nass und matschig geworden. Direkt am Ufer begannen die Schachtelhalmwälder und sie dehnten sich aus bis zum Horizont. Es war nichts anderes zu sehen, als Schachtelhalm, Matsch und der Komet.

„Wir müssen vorsichtig sein, in diesen dichten Wäldern könnten Gefahren lauern“ sagte der Kommandant und der Professor erwiderte: „Hauptsache, dort lauern auch Steine. Mit den Gefahren wollen wir schon fertig werden.“ Dann stieg er von der Leiter und stand sofort bis zu den Knien im Matsch. Fridi lachte und rief: „Der Boden hier ist jedenfalls nicht sehr steinig. Kommt, wir erkunden den Kometen. Irgendwo müssen Kol und Vol ja sein.“ Fridi hatte mit ihrer geringen Größe und dem leichten Gewicht keine Probleme mit dem Matsch. Sie sank nicht ein, aber der Kommandant und der Professor, nachdem er sich wieder aus dem Matsch befreit hatte, aktivierten erst mal ihre Schuhvergrößerung. Das war auch eine der sinnvollen pomponellischen Erfindungen. Mit der Schuhvergrößerung, die in allen Raumfahrerschuhen eingebaut ist, werden die Sohlen so groß, daß man kaum einsinken kann. Für den Professor war es schon zu spät und entsprechend fluchte er auch. Erst als er auf dem Matsch, der an seiner Hose klebte einen fetten Wurm entdeckte, wurde er ganz kribbelig. Sofort riss er sich den Helm vom Kopf und fraß den Wurm. Dann schaute er seine Freunde an: „Hm, lecker, “ sagte er. „Aber warum schaut ihr mich so komisch an?“ Fridi baute sich vor dem Professor auf und fing an zu schimpfen: „Erstens, bist du mal wieder gierig wie ein Steinfresser.“ Steinfresser waren kleine Käfer auf Pomponella, die alles fraßen, nur keine Steine. Daher auch der Name. „Woher weißt du denn, daß der Wurm nicht giftig ist? Zweitens, lernt man schon in der ersten Klasse der Raumfahrerschule, daß man auf fremden Planeten niemals einfach so den Helm abnehmen darf. Und drittens bist du rosa geworden.“ 

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