
Zopf und Rike und die Schweine aus dem Weltraum
Das siebente Kapitel, in welchem die Wiedersehensfreude riesengroß ist und es am Ende nach eingeschlafenen Füßen riecht.
Der Kommandant lachte schallend, als er die Bescherung sah: „Dabei warst du immer so stolz auf dein edles Blau und jetzt siehst du aus wie ein Nachtgespenst.“ Auf Pomponella sind die Gespenster rosa, deshalb sagte der Kommandant das. Bei uns auf der Erde sehen Geister und Gespenster ja fast immer weiß oder durchsichtig aus und oft auch wie durchsichtige oder weiße Menschen. Den kleinen Pomponellerferkeln wird beim Zubettgehen aber in der Gruselgeschichte, die die Pomponellerkinder so lieben, immer erzählt, die Geister wären rosa. Sie sehen dort deshalb ganz genauso aus, wie bei uns ein Schwein aussieht. Oder vielleicht so wie ein durchsichtiges Schwein.
Der Professor wurde jetzt dunkelrosa. Er schämte sich, weil er sich nicht beherrscht hatte. Dabei wusste jeder, der ihn kannte, daß er immer schon eine Schwäche für Würmer hatte. Und der Wurm auf seiner Hose hatte so lecker ausgesehen. Er verteidigte sich heftig: „Das habe ich doch nur für die Wissenschaft getan. Wir wissen nun, daß die Würmer auf diesem Planeten die leckersten sind, die jemals entdeckt wurden. Ich werde auch bald einen weiteren verspeisen, damit wir unbedingt wissen, ob das eine Ausnahme war oder ob sie alle so lecker sind. Für die Wissenschaft bin ich ja immer zu großen Opfern bereit.“ Er holte tief Luft, atmete laut aus und sog noch einmal tief Luft ein, bis in die tiefsten Tiefen seiner Lunge. Dabei wurde er sogar noch ein bisschen blasser und stieß dann hervor: „Und die Luft hier ist so gut, gesund und wohlriechend, daß man die leichte Verfärbung wohl in Kauf nehmen kann. Wenn ich mich daran gewöhnt habe, werde ich schon wieder blau.“
Fridi musste trotzdem weiter sticheln: „Daß die Würmer die leckersten sind, weißt bisher nur du. Und dein Geschmack war immer schon seltsam. Ich werde jedenfalls nicht meine Hautfarbe aufs Spiel setzen. Und damit du´s nur weißt: in blau hast du mir viel besser gefallen!“ Peng, das saß. Der Professor guckte jetzt sehr unglücklich. Er hatte nämlich ein Geheimnis, daß er bisher nur Vol anvertraut hatte: er war in Fridi verliebt. Nun sah es so aus, als wären alle Chancen auf eine kleine Romanze verspielt. Der Kommandant tröstete ihn: „Mach dir keine Sorgen Professor. Bei Fridi hättest du sowieso keine Chancen, sie hat mir neulich erst gesagt, dass du so verwissenschaftlicht aussiehst.“ Er war selber auch ein bisschen in Fridi verliebt und ihre Bemerkung hatte ihn heimlich gefreut. Der Professor wurde noch roter. Wusste der Kommandant etwa auch Bescheid? Oder hatte Vol gepetzt. Das konnte er kaum glauben. Kol und Vol mussten gefunden werden, damit er sie befragen konnte. Laut rief er: „Los, wir suchen jetzt die Beiden!“
Fridi kicherte. Die beiden Männer waren ein großer Spaß für sie. Aber damit die nicht sehen konnten, wie lustig sie das alles fand, drehte sie den Kopf zur Seite - und da sah sie es: „Im Kometen ist ein Loch. Da oben.“ Und sie zeigte mit beiden Händen auf die Türe, die in halber Höhe am Kometen klebte und sperrangelweit offen stand.
„Aha, eine Türe. Leider nicht aus Stein, “ murmelte der Professor. Fridi kicherte immer noch, und sagte deshalb, den Kopf zur Tür gewandt: „Die meisten Türen sind nicht aus Stein. Wir werden sie trotzdem erforschen.“ Und schnurstracks marschierte sie auf den Kometen zu. Die beiden Pomponellermänner zuckten mit den Schultern, schauten sich an und trotteten dann mühsam hinterher. Mit der Schuhvergrößerung konnten sie nur sehr schwerfällig vorankommen und als sie endlich aus dem Schlamm herausgewatet waren und ihre Schuhe wieder kleiner machen konnten, hatte Fridi schon einen großen Vorsprung.
Sie durchstapfte den Schlamm und bewunderte die seltsamen Pflanzen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Zwischen dem satten Grün des jungen Schachtelhalmes und den bizarren Blattformen der Farne sah sie viele Steine und Kiesel. Sie freute sich für den Professor, denn seine Forschungen waren pomponellaweit anerkannt und hatten die dortige Wissenschaft sehr weit gebracht. Sie selber hatte viele seiner Bücher schon gelesen. Aber das würde sie ihm gegenüber nie zugeben.
Dann musste auch sie langsamer gehen und schließlich sogar klettern. Der Boden war jetzt so, wie sie es kannte, denn sie hatte den Kometen erreicht und da er nur zur Hälfte im Schlamm versunken war, wurde es erstmal sehr steil. Als es am Kometen-Berg aber wieder flacher wurde, hüpfte sie leichtfüßig weiter. Sie sprang über spitze Steine und wich gefährlichen Spalten aus. Aber sie hatte die Türe fest im Blick und nichts konnte sie aufhalten. Dann war sie nur noch wenige Meter von der Türe entfernt.
Und da hörte sie Kol und Vol sprechen und ihr Herz hüpfte vor Freude. Sie vergaß alle Vorsicht und rief laut: „Hallo, meine Lieben. Wir kommen und retten euch.“ Sofort erschien Kol in der Türe und winkte. Dann blinzelte er und hielt sich eine Hand vor die Augen, denn nach dem Dämmerlicht im Inneren des Kometen traf ihn der helle Sonnenschein auf der Erde wie ein Blitz. Hinter ihm kam Vol aus dem Schatten der Höhle und hatte auf dem Arm ein seltsames Wesen liegen, so in die Armbeuge eingebettet, wie man vielleicht einen kleinen Hund oder ein Kaninchen trägt. Auch sie blinzelte, guckte erstaunt und winkte mit einer Hand. Dabei wäre ihr der Lungenfisch fast aus dem Arm geglitten. Aber sie kriegte ihn noch am Schwanz zu packen und fing ihn, kurz bevor er den Berg hinunterkugeln konnte. „Ach schau mal, was für ein Glück“, sagte sie zu Kol. „Da kommt ja unsere Übersetzerin. Dann werden wir bald verstehen, ob diese seltsame Amphibie etwas zu sagen hat.“ Und laut rief sie: „Hallo Fridi. Wir sind auch gerade erst ans Tageslicht gekommen. Retten müsst ihr uns aber nicht, uns geht es gut. Schön, das wir dich als erstes sehen.“ Atemlos erreichten schließlich der Professor und der Kommandant die verschollenen Astronauten. Die Wiedersehensfreude war riesengroß. Sie setzten Ärwin vorsichtig auf den Boden und umarmten sich alle sehr herzlich. Der Lungenfisch wusste nicht was er davon halten sollte. Erstaunt guckte er von einer zum anderen und fand das Leben außerhalb des Sees plötzlich sehr anstrengend. Schließlich setzten sich alle Pomponeller im Kreis auf jeweils einen Stein und Kol und Vol, der Professor, der Kommandant und Fridi erzählten einander was sie seit ihrer Trennung erlebt hatten. Sie kicherten, staunten und beglückwünschten sich zur Rettung des Planeten und zur Entdeckung der Türe und der Dinosauriereier und bedauerten den Professor wegen seiner blassen Gesichtsfarbe. Der wollte davon aber gar nichts hören. Stattdessen lobte er die wunderbare Luft und die schmackhaften Würmer. Der Lungenfisch schaute immer nur von einem zum anderen und wunderte sich. Nun kümmerte sich Fridi endlich um ihn. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände, schaute in sein Gesicht und sprach zu ihm. Sie sprach ganz langsam und der Fisch hatte mit einem Mal das Gefühl, sie würde ihn verstehen. Da täuschte er sich aber gewaltig. Er war auch für eine Ultra-Übersetzerin eine harte Nuss. Sie sprach langsam und der Fisch geriet in einen Freudenstrudel weil die Melodien so schön, ruhig und traurig waren und schließlich wurde er ohnmächtig. Fridi hatte sowieso keine Lust, sich hier besonders anzustrengen. Im Raumschiff würde es viel einfacher sein, den Fisch zu befragen.
Sie genossen noch ein wenig die Rundumsicht vom Kometen auf den neuen Planeten, dann kletterten sie zurück auf die Ebene. Vol steckte den ohnmächtigen Lungenfisch in ihren Rucksack. Dort drinnen wachte er kurz darauf auf, schlief aber wegen des Geschaukels direkt wieder ein. Deshalb verpasste das große Fischlein schon wieder etwas, denn als er aufwachte, weil Vol den Rucksack sanft in eine Ecke gestellt hatte, war er bereits im Inneren der „Wagemut II“. Er zappelte, weil es ihm zu eng und warm geworden war und die Pomponeller bemerkten den wackelnden Rucksack und befreiten den Lungenfisch. „Tja“, sagte Fridi, als sie ihn sah. „Am einfachsten wäre jetzt ein Übersetzungsbrot.“ Sie ging in die Küche und fing an, einen einfachen Teig aus Mehl und Wasser, Hefe und Salz und aus den geheimen Übersetzungskräutern zu kneten. Die Kräuter wachsen auf Pomponella an jedem Misthaufen, aber nirgendwo sonst im bisher bekannten Universum. Sie heizte den Backofen auf 500 Grad vor und legte ein kleines Teigkörnchen auf ein Blech in die Mitte des Ofens. Als sie dann die Backofentüre schloss, vergrößerte sich der Teigkrümel sofort auf Brötchengröße und ein leckerer Duft von frisch gebackenem Brot erfüllte die Kantinenküche. Kurz darauf erfüllte das Aroma von alten, getragenen Socken die „Wagemut II“ und das Brötchen war fertig. Fridi nahm es aus dem Backofen, lies es kurz abkühlen und reichte es dem Lungenfisch.
Der Lungenfisch hatte heute schon einiges erlebt. Zuerst war er an Land gekrabbelt. Dann hatte er das grandiose Feuerwerk am Himmel gesehen, woraufhin der große Nebel gekommen war und der neue Berg. Anschließend lernte er Klettern und sah zum allerersten Male eine Türe. Er entdeckte die Außerirdischen, hörte wunderschöne Geräusche und entdeckte sogar noch weitere Außerirdische. Er hatte sich wieder zu Tal tragen lassen, hatte dann in einer schaukelnden Stoffhöhle ein Nickerchen gemacht, fand sich nach dem Aufwachen in einer Raumkapsel wieder, was er aber ja noch gar nicht wusste und nun sollte er etwas essen, was nicht die normale Fischnahrung war. Auch das noch. Aber heute war ihm alles egal. Der Tag war so ungewöhnlich, da kam es auf eine Erfahrung mehr oder weniger auch nicht mehr an. Mit einem großen Bissen verschlang er das Brötchen, stellte erstaunt fest, daß es gar nicht so übel war (bis auf den Nachgeschmack nach alten Socken) und verstand plötzlich seine neuen Freunde. Das heißt, er hätte sie wohl verstanden, wenn die Pomponeller nicht dauernd von Dingen reden würden, die er nicht kannte. Er musste immer wieder nachfragen. Aber Fridi hatte Geduld. Die Worte des Fisches verstand sie. Und er verstand ihre. Sie stellten sich also zuerst einander vor: „Joode Daach, Ärwin, Lungefisch.“ (Er musste noch üben.)– „Sehr angenehm, Fridi, Pomponellerin.“ Dann wurde es aber sofort schwieriger. Der Fisch erzählte vom Leben unter Wasser. So was kannten die Pomponeller nicht. Und die Pomponellerin erzählte von der Raumfahrt, von schnellen Raumschiffen und neuen Sternen. Das war für den Fisch alles total unbekannt. Bevor er aus seinem Tümpel geschaut hatte, hatte er gar nicht gewusst, dass es so etwas wie ein „Außerhalb-des-Tümpels“ überhaupt gibt. Er hatte immer gedacht, die Wasseroberfläche von unten wäre die Grenze der Welt. Erst als er mit seinem Kopf das Ende der Welt durchstoßen hatte öffneten sich ihm neue Perspektiven. Aber danach war immer noch der kleine, übersichtliche Bereich rund um den See, bis hin zum Rand des Schachtelhalmwaldes, alles, was er zusätzlich kannte.
Fridi beschäftigte sich deshalb mehrere Tage mit Ärwin, während die anderen Pomponeller den Planeten erkundeten. Nach zwei Tagen wusste sie alles über Lungenfische. Nach drei Tagen kannte Ärwin die pomponellischen Gepflogenheiten und nach vier Tagen wusste er wie man eine Rakete steuert und die Raumrucksäcke packt. Am fünften Tag bekam er eine eigene Ausrüstung und einen Helm. Fridi entschied, dass für ihn kein Raumanzug nötig sei. Ärwin bräuchte auf jeden Fall eine Sondergröße und eine Sonderform, und die Firma, die so etwas herstellt, war weit weg auf dem Planeten Pomponella, in der Hauptstadt Pimpampom in der Raumfahrtanzugschneiderundentwurffabrikstrasse Nummer fünfzehneinhalb und man konnte nicht mal eben vorbei fahren. Die Übersetzerin schaute sich ihren neuen Freund genau an und entschied, dass ein Helm reiche. Mit der dicken, beschuppten Lederhaut war Ärwin wahrscheinlich sogar besser geschützt, als jeder Pomponeller im Raumanzug. Von nun an trug der Lungenfisch seinen neuen Helm sooft er konnte. Und er schleppte immer einen Rucksack mit Kleinwerkzeug mit sich herum. Er war zum Hilfsastronauten geworden und half ab sofort beim Erkunden der Erde und später beim Erkunden der weiteren Planeten. Denn von nun an reiste er mit den Pomponellern. Er war das erste Lebewesen, das jemals von der Erde in den Weltraum gereist ist. Und nicht irgend so ein dahergelaufener Hund, wie es unsere moderne Raumfahrt-Geschichtsschreibung behauptet.
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Ich bin der Meinung, dass wir Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken lassen dürfen.
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