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Zopf und Rike und die Schweine aus dem Weltraum

 

 

 

Kapitel fünfzehn, in welchem eine Türe nach vielen Millionen Jahren immer noch nicht quietscht

Zopf und Rike mussten erst mal schlucken, als sie hörten, wie gut sich die beiden unterhalten konnten und auch Gustav und Sir William brauchten eine längere Zeit, bis sie alle diese Neuigkeiten verstanden hatten. Nach einem zweiten, schweigsameren Frühstück sagte Zopf schließlich: „In dieser Gegend wimmelt es wohl von Gesangslehrern.“ - „Aber dass beide den gleichen haben, obwohl sie sich nicht mal kennen, ist schon erstaunlich“, fügte Rike hinzu. Dann fuhr sie fort: „Jetzt aber mal ehrlich. Was sind das für Sachen, die ihr beiden da so von euch gebt?“

Sofort begann schon wieder ein munterer Austausch. Dass Gustav dieses komische Schwein verstehen konnte, als es so schwungvoll angetrappelt kam, war für ihn genauso erstaunlich, wie sein Sprechgesang für die Kinder war. Und auch Sir William war bass erstaunt, sich auf einmal doch mit einem Menschen unterhalten zu können. Man meint als Mensch ja immer, dass einen die Tiere verstehen. Wenn du zu einem Hund „Sitz!“ sagst, und er lässt sich auf seinen Popo nieder, dann denkst du, er hätte dich verstanden und du sagst: „Braver Fiffi“. Gottseidank ist das nicht wirklich so. Der Hund sieht nur deinen ausgestreckten Finger und hört die Strenge in deiner Stimme. Er weiß, dass er danach vielleicht ein Leckerli von dir kriegt und denkt „Ich muss mir nur den Pöppes am Boden kühlen und der kleine Mensch da gibt mir was oder ist freundlich zu mir.“ Wenn der Hund uns wirklich verstehen könnte, was täte er dann wohl, wenn ein Hundebesitzer „Platz!“ sagt? – Eben, und deshalb sagst du so was ja auch nicht zu deinem Fiffi.

Sir William war als schlaues Schwein immerhin viel, viel klüger als die meisten Hunde und verstand wohl auch ein wenig von der Menschensprache. Er war aber trotzdem froh, dass Gustav für ihn die Feinheiten übersetzen konnte, denn dass Zopf und Rike anfingen zu grunzen und zu quieken, das erwartete er dann doch nicht. Und bei all dem Übersetzen, Fragen, Staunen, Plappern und Singen kam am Ende folgendes Ergebnis heraus: Gustav wusste - bis er Sir William gehört und verstanden hatte - gar nicht, dass das, was er zusätzlich von sich gab, irgendeine Sprache war. Er hatte nur gedacht, die lange Einsamkeit hätte in ihm die Nachdenklichkeit und Melancholie zum Klingen gebracht. Oder er hätte vielleicht eine musikalische Begabung in sich entwickelt, und deshalb begonnen zu Singen. Als Gustav von der Rabenburg fliehen musste, war er überhaupt nicht so gut ausgerüstet gewesen wie Zopf und Rike bei ihrer Abreise, und unterwegs hatte er deshalb oft von Dingen gegessen, die er vorher noch nicht probiert hatte. Ihm blieb keine andere Wahl, wenn er nicht verhungern wollte. Er konnte auch nicht bei Bauern nach etwas zum Essen fragen, denn er wurde verfolgt und durfte seine Anwesenheit nicht verraten. Nur durch diese Umsicht konnte er die Männer von Raburak abschütteln und seine Spur verwischen. Und hier in dieser Gegend war er erstmals auf ein uraltes pomponellisches Übersetzungsbrot gestoßen. Zuerst war er natürlich, wie bei allem Neuen, vorsichtig gewesen, aber diese Brote schmecken wirklich sehr gut, vor allem, wenn sie steinalt sind. Das wissen sogar die Pomponeller noch nicht. Und Sir William erzählte ihm jetzt von dem komischen, leckeren Pilz, den er vor drei Tagen gefunden und ratzeputz aufgegessen hatte und danach war fast allen fast Alles klar. Nur woher diese Zauberbrote, Gesangspilze, oder wie man sie auch nennen wollte, kamen, wussten sie nicht, denn wer denkt schon an Pomponeller. Sie vermuteten ganz einfach, dies hier wäre ein verzauberter Bereich des großen Königreiches und diese Dinger wüchsen hier. Zopf und Rike wollten auf der Stelle losziehen und auch welche suchen, damit sie sich alle besser mit Sir William unterhalten könnten. Immerhin wussten sie, dass die Zauberkraft nicht so schnell nachlassen würde, denn Gustav konnte immer noch pomponellisch, obwohl er sein letztes Zauberbrot schon vor einigen Wochen verspeist hatte. „Vielleicht“, hoffte Rike, „treffen wir auch Elfen und können uns dann mit denen unterhalten. Die werden uns auch bestimmt helfen, meine Eltern zu befreien.“

Sie fingen also gemeinsam an zu suchen. Zuerst gingen sie natürlich auf die Wiese, auf der Sir William seinen pomponellischen Zauberpilz gefunden hatte. Aber so sehr er auch schnüffelte, es roch überhaupt nicht mehr nach leckerem Trüffelpilz. In keiner Ecke und nicht mal ein kleines bisschen.

Auch die Plätze, an die sich Gustav erinnerte, waren leer. Kein noch so winziger Krümel lies sich finden.

„Seltsam“, sagte Rike. „Alle Stellen, wo ihr diese Dinger gefunden habt, sind in der Nähe dieses kugeligen Hügels.“ Dieser Hügel hatte sie schon interessiert, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatten und darum entschied Zopf: „Hier ist ein guter Platz für unsere Hütte und wir bauen sie auch da weiter, wo wir schon angefangen haben. Aber zuerst werden wir diesen Berg erkunden und wir werden auch Zauberpilze finden. Die müssen vielleicht erst noch nachwachsen.“ „Ich helfe euch, die Hütte zu bauen, aber ich will dann lieber in meiner eigenen Hütte wohnen bleiben. Da habe ich mich schon dran gewöhnt und sie ist mir doch so gut gelungen.“ Gustav wollte ihnen beim Bauen zwar helfen. Aber er fand es sehr gut, dass er von seinem Wohnplatz aus das ganze Gelände überblicken konnte, ohne gesehen zu werden. Deshalb hatte er Zopf und Rike vor ein paar Tagen schon gesehen, bevor sie nur in die Nähe ihres späteren Rastplatzes, an dem er sie mit seinem leckeren Frühstück überrascht hatte, gekommen waren. Er bot ihnen also an, so lange in seiner Hütte zu wohnen, bis die neue Hütte fertig wäre.

Danach wollten Zopf und Rike ihm dann ihrerseits helfen, seine kleine Hütte mit Hilfe des mitgebrachten Werkzeuges zu verbessern.

Am nächsten Morgen machten sie sich endlich daran, die nähere Umgebung zu erkunden. Und dazu gehörte als erstes natürlich der Halbkugelhügel.

Sie packten deshalb einige Sachen zusammen, um notfalls auch eine Nacht oben bleiben zu können und bestiegen dann den Berg. Der Hügel war grün bewachsen und der Aufstieg war nur am Anfang schwierig. Je weiter sie kamen, desto leichter wurde es. Am Anfang, an den steilen Stellen wuchsen nur Büsche und Kräuter. Als sie jedoch höher kamen, waren auch die ersten Bäume dabei und ganz oben auf der Kuppe war ein kleines Wäldchen mit einer Lichtung darin. Rike fand, das sei ein magischer Platz, und sie beschlossen, hier ihr Nachtlager aufzuschlagen.

Am nächsten Morgen wachten sie zeitig auf und begannen den Abstieg. Auf einmal stolperte Rike und knickte sich den Fuß um. Sie mussten sich auf einen Steinhaufen setzen und ausruhen. Rike hatte starke Schmerzen und konnte nicht weiter gehen. Zopf überlegte, wie er seine Freundin von dem Hügel runterkriegen und zurück in die Hütte bringen könnte. Sir William nutzte die Pause um nach bester Schweinemanier im Boden herum zu graben. Dabei konzentrierte er sich auf eine Stelle, an der ein kleiner Absatz war und wurde immer aufgeregter. „Jetzt hör doch mal auf hier so nervös herum zu wühlen!“, rief Zopf, da rutschte Sir William plötzlich auch aus. „Ach du meine Güte, jetzt habe ich zwei Verletzte hier auf dem Berg“, klagte Zopf, aber Sir William stand wieder auf und lief zu Gustav, um ihm zu berichten. „Er hat etwas gefunden“, sagte Gustav zu den beiden Kindern. Sir William scharrte mit den Hufen und Gustav und Zopf halfen ihm eifrig, an dieser Stelle zu graben. Dann klang es wie Metall. Gustav, Zopf und Sir William brauchten eine halbe Stunde, bis sie den Fund des Schweines freigelegt hatten. Es war eine alte verrostete Türe. „Das ist der Eingang in die Elfenwelt!“ schrie Rike. Und sie wurde sofort ganz aufgeregt. Sogar der Schmerz in ihrem Fuß war vergessen. Sie wollte immer schon mit Elfen Kontakt aufnehmen aber seit Jahrhunderten wurden in Norgrenland keine mehr gesehen. Zopf zog ganz heftig an der Türe, aber sie bewegte sich keinen Millimeter. Da stand Rike auf und humpelte zu ihrem Freund, schob ihn sanft beiseite und drückte die Klinke. Sie schob ganz langsam und die Türe öffnete sich laut quietschend. Es war ein magischer Moment und Rike wollte die erste sein, die in die Höhle ging. Sie humpelte also voran und Zopf, Gustav und Sir William gingen langsam hinterher. In der Türe drehte Zopf sich noch einmal um und holte seinen Rucksack. In dem war eine Kerze, Feuer und etwas zu Essen und zu Trinken. Dann ging auch er in die Höhle. Als er hineinging stand keiner mehr in der Eingangstüre und die Türe schloss sich automatisch. Nach all den Jahren quietschte sie immer noch nicht. Das war Qualitätsarbeit.

Zopf und Rike, Sir William und Gustav standen auf einmal im Dunklen. Rike stieß einen kleinen spitzen Überraschungsschrei aus aber Zopf nestelte in seinem Rucksack nach der Kerze und dem Zunder. Im Dunklen tastete er nach den Feuersteinen und reichte sie Rike. Dann ließ er sie fühlen, wo seine Hand mit dem Zunder war. Sie hatten das schon so oft auf ihren Ausflügen gemacht, dass es fast automatisch ging. Rike schlug die Feuersteine gegeneinander und alle sahen, wo die Funken waren. Zopf hielt den Zunder genau dort hin und schon beim nächsten Schlag entzündete sich das trockene Material. Zopf hielt schnell die Kerze daran und bevor er sich die Finger verbrennen konnte, war die Kerze schon an. Die Freunde schauten sich an und dann drehten sich alle gleichzeitig zur Türe um. Sie sahen – nichts. „Die Türe ist verschwunden. Wir sind entweder gefangen oder im Elfenreich gelandet“ rief Rike aus. Sie klammerte sich an ihren Freund, der fast die Kerze fallen ließ. „Nur ruhig“ sagte Gustav, „Wir schauen uns erstmal um“. Zopf meinte nachdenklich: „Die Elfen haben aber gut geheizt“.

Tatsächlich war es in der Höhle mollig warm und sie wunderten sich sehr, woher die Wärme kam. Es gab kein Feuer, keine heißen Quellen und die Wärme kam gleichmäßig von überall her. Zopf schaute sich weiter um und da er die Kerze trug, mussten die anderen ihm folgen.

Der Komet, den wir mittlerweile schon fast vergessen haben, hatte sich in den vielen Millionen Jahren, seit die Pomponeller ihn sanft auf der Erde gelandet hatten, sehr gewandelt. Allerdings nicht zu seinem Besten. Er sah sehr heruntergekommen aus. Überall war Staub und die Metallträger hatten eine Menge Rost angesetzt. Unsere Freunde machten deshalb nur einen ganz kurzen Rundgang und kamen schließlich wieder an die Stelle wo sie die Türe vermuteten.

„Von Elfen habe ich weit und breit nichts gesehen und wenn es ein Zugang in ihre Welt sein soll, dann hätten sie ihre Empfangshalle ruhig etwas sauberer halten können“, meinte Rike nur. Zopf und Gustav mussten ihr zustimmen. Plötzlich stieß Rike einen erfreuten Schrei aus: Sir William hatte angefangen in einer Ecke zu schnüffeln und entdeckte weitere Übersetzungsbrote. Sofort waren Zopf und Rike bei Ihm und nahmen sich jeder eines. „Ist das spannend“, schrie Rike. „Gleich werden wir uns alle verstehen“, vermutete Zopf. Und dann bissen beide gleichzeitig in die Brote. „Los, sagt etwas“ riefen Zopf und Rike fast gleichzeitig. Bevor Gustav und Sir William jedoch reagieren konnten, öffnete sich mit einem lauten Quietschen die Türe und Vol schaute herein: „Was ist denn hier los?“ rief sie, „Wie habt ihr denn in so kurzer Zeit so viel Unordnung machen können?" Dann schaute sie genauer hin und rief überrascht: "Natürlich, Krustkis – und ihr habt einen von uns gefangen!“

Gott sei Dank konnten Zopf und Rike jetzt sehr gut verstehen, was die Pomponellerin sagte.

zum sechzehnten Kapitel

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