
Zopf und Rike und die Schweine aus dem Weltraum
Kapitel neunzehn, in welchem die Pomponeller Streiche spielen und damit Rike zu einem Geistesblitz verhelfen
So kam es, dass die Pomponeller dann auf der Erde mit Zopf, Rike und Gustav zusammengetroffen sind. Der Professor erzählte mir noch, dass sie gemeinsam Rikes Eltern befreien wollten, weil sie damit den beiden verbliebenen Krustkis den bösen Plan verderben würden. Nachdem sie also in dem jetzt uralten Kometen zusammenkamen, entschieden sie sich, zu Gustav in seine kleine Hütte zu fliegen. Drei Tage später, nachdem sie sich besser kennengelernt hatten, fingen sie an zu überlegen, wie die Rettung vor sich gehen könnte.
In Gustavs Küche war es warm. Fünf Schweine – na ja vier Pomponeller und ein Schwein – und drei Menschen waren in dem gemütlichen Raum versammelt. Außerdem lag unter dem Tisch Ärwin der Lungenfisch in einer kleinen Blechbadewanne. Auf dem Herd köchelte eine leckere Gemüsesuppe und erwärmte die kleine Kammer noch zusätzlich.
Wenn man sich weit aus dem Fenster lehnte, konnte man auf der großen Wiese das riesige Raumschiff glitzern sehen. Der Kommandant hatte es so geparkt, dass die „Wagemut II“ nicht die Sonne verdeckte und der Schatten auch bis in den späten Nachmittag nicht auf das Küchenfenster fiel. Das war eine weitere Meisterleistung seiner Steuerkunst, denn das Raumschiff war eigentlich zu groß für die Umgebung. Aber vor fünfzehn Millionen Jahren hatte er es auch geschafft und damals war es hier schließlich noch dichter bewaldet gewesen. Das Schattenparken hatte er sich erst auf seinen Reisen zu anderen Planeten angewöhnt, denn auf Pomponella war es ganz egal wo man stand, einige der fünf Sonnen schienen immer irgendwohin und Schatten gab es dort im Freien kaum.
Der Kommandant stand am Herd und löffelte sich aus dem großen Suppentopf einen halben Liter Bouillon in einen großen Napf. „Das muss man euch lassen“, schmatzte er. „Eure Suppen sind wirklich ein kleines bisschen besser als die auf Pomponella. Dafür haben wir aber mehr Sonnen. Nur eine Sonne – pah, das ist ja lächerlich, daran muss man sich nicht gewöhnen.“ Und zufrieden damit, dass ihm doch noch eingefallen war, wie er seinen Heimatplaneten loben konnte, obwohl das Essen auf Pomponella eigentlich immer schlechter war als woanders, setzte er sich zu den anderen an den großen Holztisch. Aus der Schüssel in der Mitte des Tisches schöpfte er sich noch zwei Portionen Würmer in seinen Napf und dann rülpste er zufrieden.
Rike grinste Zopf verstohlen an und dann schaute sie in die Runde. Gleich am Tag nachdem die Pomponeller sie aus dem Kometen geholt haben, hatten sie die Stühle in Gustavs Hütte stabiler gebaut und auch eine breite Bank aus massiven Baumstämmen eingesetzt. Zwei kaputte Stühle, die sich dem Gewicht der außerirdischen Besucher geschlagen geben mussten, waren schließlich genug. Kol und Vol lümmelten sich jeweils in einen der breiten Stühle und der Kommandant hatte sich zum Professor auf die Bank gesetzt. Zopf und Rike saßen auf den beiden heil gebliebenen Stühlen aus der ersten Produktion und Sir William lag wieder in seiner gemütlichen Hängematte, denn dort konnte man nicht sofort erkennen, ob er schlief. Gustav lehnte sich lässig an den Mittelbalken. Er hatte die ganze Zeit gesessen, als er das Gemüse für die Bouillon geputzt und geschnippelt hatte. Jetzt waren seine Beine steif und das Stehen tat ihm gut. Später würde er dann leichter hin und her laufen können um nachzudenken.
Vol hüstelte, was aus ihrem pomponellischen Mund wie der Akkord zu Beginn eines Musikstückes klang und sagte dann: „So, jetzt sitzen wir hier und wissen nicht weiter. Nach der leckeren Suppe wird uns aber sicher etwas einfallen.“ Rike nahm sich gedankenverloren auch eine Hand voll Würmer, spuckte aber gleich den ersten Löffel Suppe samt der Würmer prustend durchs Fenster. „Danke, dass ihr mir auch etwas gebt“, hörten sie Fridi von draußen rufen, „aber ich wollte gleich sowieso reinkommen.“
Vol begann nochmal: „Jetzt sind wir seit drei Tagen wieder auf der Erde. Anscheinend ist eine lange Zeit vergangen, aber wir sind kaum älter geworden. Die Dinosauriere, die wir zurückgelassen haben, gibt es nicht mehr, auch keine Lungenfische. Jedenfalls habt ihr noch keine gesehen. Das heißt, unser Ärwin ist der letzte seiner Art. Immerhin sehen die Wälder viel besser aus als früher. Und es gibt Erdenbewohner die aussehen wie wir. Die sind sogar noch ein bisschen fauler.“ Und sie schielte auf die Hängematte, aus der ein leises Schnarchen nicht zu überhören war. „Aber“, fuhr sie fort, „unser Ehrenpomponeller ist nicht alleine, und da fangen die Probleme an. Zopf und Rike würden gerne Knut den ganz Starken und die Königin befreien und wir wollen helfen. Wir sollten uns deshalb was ganz Kluges einfallen lassen und ich warte auf Vorschläge.“
Es kamen aber keine Vorschläge. Alle schauten verlegen zu Boden, oder nahmen sich noch etwas Suppe oder Würmer oder beides, oder sie pfiffen vor sich hin, marschierten unruhig in der Küche auf und ab – oder schnarchten.
Dann rief Rike: „Nein, wir sind nicht so dumm, dass uns nichts einfällt. Wir haben nur keine Ahnung, wie wir es anstellen sollen, meine Eltern zu befreien, weil wir gar nichts über Raburak und seine Rabenburg wissen. Wir müssen den Bösewicht ausspionieren – und ich werde morgen mit dem Beobachten anfangen.“
Da hatte sie recht. Alles was sie über den bösartig veränderten Raburak wussten, hatte ihnen Gustav erzählt. Der Herrscher auf der Rabenburg war gefährlich und eigensinnig geworden. Wahrscheinlich hatten die Krustkis dabei ihre Hände im Spiel. Und seine Pläne hatte Raburak auch früher schon immer für sich behalten. Selbst Gustav hatte nicht mitbekommen, was er vorhatte. Nur durch seine Schlaflosigkeit und den Zufall mit dem Ball hatte er überhaupt bemerkt, dass es den geheimnisvollen „Spitz“ gab. Welche Rolle spielte dieser Spitzbube? Aber warum wollten die Krustkis Einfluss auf Raburak ausüben?
Die Rabenburg selbst galt als unbesiegbar. Es war nahezu unmöglich, Knut den ganz Starken da rauszuholen. Der Ur-ur-ur-ur-weiß-nicht-wie-viele-urs-Opa von Rike hatte die Trutzburg bauen lassen um das damals noch kleine Reich gegen die Gefahren aus dem Norden zu schützen. Damals lebten dort noch Riesen und Zwerge und wilde Tiere, und vielleicht sogar Drachen. Die Burg lag inmitten eines schroffen Talkessels und alle Besucher, Freunde oder Feinde, mussten über den einzigen Zugang, den breiten Rabenweg, kommen. Schon von weitem war jeder zu sehen, der sich näherte. Ein geheimes Anschleichen war unmöglich.
Den ganzen Nachmittag diskutierten unsere Freunde. Als Fridi dazu kam wurde es lebhafter, denn immer wieder musste sie sich mit dem Professor streiten, aber am Ende wurde Rikes Vorschlag angenommen, denn es war die einzige Möglichkeit, die sie sahen. Sie würden die Burg beobachten müssen – solange bis sie eine bessere Idee hatten. „Und dann? – Was wird uns das Beobachten bringen?“ Zopf war skeptisch. Er hätte am liebsten das Raumschiff zur Rabenburg geflogen und die Gefangenen befreit. Raburak und seine Bande hatten noch nie ein Raumschiff gesehen und der Schreck sollte sie doch erstmal lähmen. Mit Hilfe der Pomponeller müsste es doch möglich sein, die Königsfamilie zu retten und wieder zu verschwinden. „Du hast die Krustkis vergessen, lieber Zopf“, gab Fridi zu bedenken. „Die haben natürlich schon Raumschiffe gesehen. Unsere „Wagemut II“ wurde sogar von Ihnen aufgerüstet. Und sie haben vielleicht Waffen, die besser sind, als die, die Raburak hat. Selbst wenn Raburaks Leute fliehen sollten, die Krustkis würden die Gefangenen nicht herausgeben, vielleicht sogar durch irgendeinen Geheimgang verschwinden und dann würde das Suchen wieder losgehen.“ Diesem Argument konnte selbst Zopf nicht widersprechen und deshalb wurde es so abgemacht, wie Rike vorgeschlagen hatte. Man würde ja sehen, ob sich irgendwas ergeben könnte.
Und so kam es, dass Rike auf dem Bauch im trockenen Gras lag. Es war brüllend heiß und die trockenen Halme kitzelten in ihrer Nase. Sie duckte sich hinter einen verkrüppelten Ginsterbusch und verharrte dort mucksmäuschenstill. Sie war über und über mit Staub bedeckt und deshalb schon aus fünf Schritten Entfernung kaum zu erkennen. Neben ihr auf einem Stein der in der Mittagssonne glühte, räkelten sich zwei Smaragdeidechsen. Rike hatte von hier oben einen atemberaubenden Blick ins Tal. Aber sie konnte die Rabenburg trotzdem nicht genau erkennen, denn die Luft flimmerte in der Hitze und die abweisende Burg, die mit ihren drohenden Türmen das Tal beherrschte, bewegte sich in diesem flirrenden Licht als führte sie ein geheimes Eigenleben. Selbst die Raben, die eigentlich immerzu um die Türme der Burg kreisten, hatten sich zurückgezogen. Ihnen war es viel zu heiß und sie hockten im Schatten der unzähligen tiefen Fensterhöhlen des Nordturmes. Von dort konnten sie die Burg doch auch bewachen. Rike lief der Schweiß von der Stirn aber sie wagte es nicht, sich zu bewegen. Die salzigen Tropfen brannten in ihren Augen und die Burg verschwamm noch mehr. Sie verhielt sich ganz ruhig. Die Wachen von Raburak dem Schrecklichen waren selbst bei dieser Hitze aufmerksam - vielleicht nicht ganz so aufmerksam wie sonst, aber aufmerksam genug, um sie zu entdecken, wenn sie unvorsichtig wäre. Es herrschte eine unheimliche Stille in diesem Tal. Sie war früher schon ein paar Mal hier gewesen. Hier wehte sonst fast immer ein Wind, und in den zerklüfteten Felsen klang dann selbst die sanfteste Brise wie das Heulen eines wilden Tieres. Heute war es so still, dass man die Ameisen husten hören könnte, wenn die erkältet wären. Rike hörte nichts, sie beobachtete nur. Alle ihre Sinne waren aufmerksam, denn sie wollte eine gute Kundschafterin sein. Sie wollte die Gewohnheiten der Burgbewohner erkunden und herausfinden, wie man sich vielleicht in die Rabenburg schleichen könnte. Aber niemand ging rein oder raus.
Da hörte sie von irgendwoher ein leises Wispern. Überrascht drehte sie ihren Kopf. Es war nichts zu sehen. Die beiden Eidechsen waren die einzigen Lebewesen in ihrer Nähe. Sie sahen sie fast gelangweilt an. Rike hörte das Wispern immer noch. Es wurde ein kleines bisschen deutlicher, fast schon wie ein Flüstern und Rike wurde unruhig. Sie drehte ihren Kopf vorsichtig in die andere Richtung aber da war auch nichts Ungewöhnliches zu sehen. Ganz im Gegenteil, das Flüstern wurde leiser und klang wieder wie ein sanfter Wind. Rike zuckte mit den Schultern. Sie hatte sich wohl getäuscht. Als sie noch mal in die andere Richtung spingste, hörte sie aber schon wieder dieses leise zischelnde Geräusch. Das konnte doch nicht möglich sein. Was war das? Die Eidechsen schauten sie jetzt neugierig an. War sie zu unruhig geworden? Eine Eidechse kam näher und reckte ihren Hals mit dem schön gezeichneten Kopf zu ihr hoch. Rike wusste nicht was sie davon halten sollte. Waren es die Eidechsen, die wisperten? Sie legte ihren Kopf auf den Stein und zog ihn vor Schreck sofort heftig zurück. Beinahe hätte sie laut aufgeschrieen. Der Stein war so heiß, da könnte man Spiegeleier drauf braten. Vorsichtig versuchte sie es noch einmal und mit etwas Abstand zum Stein kam sie mit ihrem Ohr ganz nah an die Eidechsen heran. Die taten nun etwas ganz Seltsames. Rike konnte es nicht sehen, aber die Smaragdeidechse und ihre Freundin kletterten fast in ihr Ohr. Und als es kitzelte und Rike beinahe schon wieder zurückgezuckt wäre, da konnte sie doch etwas verstehen. Es waren pomponellische Wörter, so leise gehaucht, dass das Geräusch eines fallenden Blattes wie ein lautes Rumpeln dagegen war.
„Hallo“, flüsterte die Smaragdeidechse. „Kannst du mich verstehen?“ - „Ja“ erwiderte Rike überrascht und die beiden Eidechsen zuckten zusammen. „Nicht so laut“ zischten sie gemeinsam und da hauchte Rike so leise sie konnte: „Ja, ich kann euch verstehen.“
„Warum beobachtest du die Burg von dem bösen Raburak?“ – „Er hält meinen Vater und auch meine Mutter gefangen und die würde ich gerne befreien.“ Rike hatte große Mühe so sehr leise zu flüstern. Die Eidechsen schreckten ein ums andere Mal zurück, aber die anstrengende Unterhaltung konnte weitergehen. „Knut der ganz Starke ist dein Vater? Der war ein guter König, zumindest was man so hört. Auch für uns Eidechsen wäre er wohl ein besserer Herrscher als Raburak. Raburak hat nämlich neulich alle Felsen ganz glatt schlagen lassen, damit seine Feinde nicht die Burg erklettern können, und für uns bleibt jetzt kaum ein Sonnenplätzchen übrig, denn die Raben sehen uns sofort und vertreiben uns. Das hier ist dagegen ein schöner Stein, wo man gut rumlümmeln kann und er hat genau die richtige Temperatur, vielleicht sogar ein wenig zu kühl. Wir haben ihn heute Morgen entdeckt und jetzt liegt er genau in der Sonne und das ist angenehm, als Eidechse muss man ja auch gucken, dass man etwas Wärme bekommt und jetzt wo Raburak die Felsen geglättet hat und die Raben uns dauernd vertreiben ...“ „Aha“, sagte Rike. Die Unterhaltung begann sie zu langweilen. Die Eidechsen hatten ihre eigenen Probleme und sie konnte nicht erkennen, wo die kleinen Tierchen ihr helfen konnten. Sie war aber sehr geduldig und versuchte es einmal anders herum: „Wie heißt ihr beiden denn?“ „Meine Freundin heißt Lizzy und ich heiße auch Lizzy. Eigentlich werden alle von uns so genannt – und wir sind ganz schön viele, ich habe noch drei Schwestern und fünf Brüder und meine Eltern kommen auch aus einer großen Familie und meine Tante hat nur Mädchen gekriegt, fünf Lizzys und die andere Tante, die wohnt aber weiter weg, hat auch viele Kinder und deshalb sind wir eine sehr, sehr große Familie und bald kommt bei meinem Onkel Nachwuchs und mein Bruder, der heißt übrigens Lizzard, hat jetzt auch eine Freundin und da kann ja auch was kommen, ein kleiner Lizzard oder eine Lizzy ...“ Und jetzt kicherten die beiden Eidechsen und weil sie so nahe an Rikes Ohr waren, kitzelten die langen Zungen an ihrer Wange und sie musste auch kichern. Dieser Versuch brachte also auch keine neuen Auskünfte. Rike kicherte deshalb zu Ende und sagte gar nichts und beobachtete weiter. Da fingen die Eidechsen schon wieder an: “Wenn du noch drei Tage beobachtest, dann wird es interessanter, dann kommt nämlich die Zirkustruppe zum jährlichen Kirmesfest und dann könntest du etwas sehen, wenn du in die Burg kämest, aber das kannst du ja nicht, weil du die Tochter vom gefangenen König bist und deshalb auch gefangen genommen würdest, aber das würdest du dich ja auch gar nicht trauen, denn die Burg ist gut bewacht und Raburak ist gefährlich und böse, denn er hat unsere schönen Sonnenplätze glatt hauen lassen, damit wir uns nicht mehr sonnen können und jetzt müssen wir uns immer so versteckte Steine suchen, die sich gar nicht richtig aufheizen und immer viel zu kühl bleiben. Das ist ja mal gerade so erträglich, könnte noch ein bisschen wärmer sein nicht war Lizzy?“ Die Eidechse wandte sich an ihre Freundin oder Schwester, oder wie auch immer, und die machte gleich weiter: „... ja, richtig warm ist der Stein nicht. Da waren die Felsen viel wärmer. Die waren sogar richtig heiß und Lizzy, also meine dritte Schwester, diese Lizzy, die hat immer noch drei Lizzies mitgebracht, die weiter weg wohnten und da hat sich das unter den Lizzies auch rumgesprochen und manchmal haben die auch einen Lizzard mitgebracht. Die Lizzards von weiter weg sind ja richtig attraktive Kerle und dann kamen immer noch mehr Lizzies. Aber heutzutage, da ist man ja froh, wenn man einen lauwarmen Stein findet...“. Rike war das jetzt doch ziemlich egal. Sie hatte genug von der sinnlosen Beobachterei und flüsterte den Eidechsen ein „Auf Wiedersehen“ zu und schlich so langsam und vorsichtig wie sie konnte wieder von ihrem Beobachtungsposten zurück, dorthin wo ihre Freunde warteten.
Als die Felsen langsam dem Lehmboden wichen und die Büsche und Bäume wieder dichter wurden, konnte sie etwas weniger vorsichtig sein, weil sie von der Burg aus und auch von den Raben nicht mehr gesehen werden konnte. Und bald ging sie schon aufrecht und suchte nur noch den Schatten der Bäume. Während sie zum Versteck der Pomponeller schlich kam ihr der Gedanke, dass irgendetwas an diesem Vormittag sehr interessant gewesen war. Das Beobachten hatte wohl doch einen Sinn gehabt, sie musste nur noch scharf überlegen, welchen. Sie kam nicht drauf. Jetzt wurde sie ungeduldig und ärgerlich und trampelte mit ihrem Fuß auf. In dem gleichen Augenblick kam von oben kopfüber ein Schwein geflogen, kurz bevor der Kopf auf den Boden knallen wollte, rief es kurz „Hallo Rike!“ und flog wieder nach oben. Diese Pomponeller überraschten einen doch immer wieder. Rike setzte sich vor Schreck auf ihren Hosenboden und begann im gleichen Augenblick zu lachen. Natürlich, das war es. Jetzt wusste sie, was so interessant gewesen war. Kol und Vol kamen um die Ecke und lachten über ihren gelungenen Scherz, aber als sie Rike auch lachen sahen, schauten sie sich verwundert an, bis Rike rief: „Keine Zeit zum verwundert Gucken, ich habe eine Idee. – Die erzähle ich euch gleich im Raumschiff.“ Und so schnell und vorsichtig sie konnten schlichen sie zum Raumschiff, das der Kommandant trotz der Größe der „Wagemut II“ fast unsichtbar hinter einem Felsmassiv geparkt hatte.
„Wir müssen in die Burg.“ - Rike saß im gemütlichsten Sessel im Steuerraum der „Wagemut II“. Neben ihr, in den beiden anderen Sesseln, saßen Vol und Zopf und nickten. Das war ja wohl nichts Neues und das sollte Rike doch auch wissen. Sir William und Kol lümmelten auf dem gepolsterten Boden und der Kommandant stand lässig am Steuerpult und verschränkte die Arme vor der breiten Brust so als wäre er hier der Chef. Sie waren schon längst wieder zurück von der Rabenburg. Für die Entfernung von dort bis zu ihrer Hütte brauchte die „Wagemut II“ nur siebzehn Sekunden. Mit halber Kraft. Und fünf Sekunden davon brauchte sie jeweils zum Start und zur Landung. Kol und Vol hatten Sir William und Zopf an Bord geholt, weil es hier gemütlich war und durch die Klimaanlage nicht ganz so heiß. Als sie alle da waren, begann Rike zu erzählen: Sie erzählte von den Eidechsen und von den zweiundvierzig Lizzies und vom heißen Stein und den kitzelnden Eidechsenzungen bis Zopf rief: „Mach´s nicht so spannend und sag endlich was los war.“
„Na ja, bei dem ganzen Geplapper der Eidechsen war auch etwas Interessantes dabei“, begann Rike. Zopf rief: „Bei deiner Geschichte war noch nichts interessant.“ Rike überlegte, ob sie sauer werden sollte, aber das lohnte sich wohl nicht, denn sie hatte ja diese wunderbare Idee. Und damit rückte sie jetzt raus: „Die Eidechsen erzählten mir etwas von einem Zirkus und als Kol und Vol mich mit ihrem Kunststück erschrecken wollten... – Wie habt ihr das eigentlich gemacht? – Egal, jedenfalls da kam mir die Idee, dass wir uns als Zirkusartisten oder Jahrmarktgaukler in die Rabenburg einschleichen könnten. Gute Idee, oder?“ „Das ist eine sehr gute Idee“, rief Zopf laut. Dann wurde er aber nachdenklich und murmelte: „Aber was könnten wir für Kunststücke anbieten, ohne das auffällt, dass wir keine wirklichen Zirkusleute sind. Und was ist, wenn wir erkannt werden?“ – „Wenn ihr erkannt werdet, holen wir euch da raus.“ Die Pomponeller kannten schließlich keine Angst.
Und dann hatte Gustav den Supereinfall. „Ich verkleide mich als Wahrsager und Zopf und Rike sind meine beiden Helfer. Wir brauchen nur einen Zirkuswagen, Sir William wird den ziehen – und der Lungenfisch wird mit einem Goldfischglas über dem Kopf die Zauberkugel spielen.“ „Quatsch, der braucht kein Goldfischglas. Wo sollen wir das denn herkriegen? Wir füllen einfach seinen Helm mit Wasser, Ärwin kann ja schließlich auch im Wasser atmen.“
Das fand Ärwin sehr gut, denn ein bisschen vermisste er es, im Wasser zu sein und mal wieder so richtig durch die Kiemen zu atmen. Er lispelte: „Wenn et jefährlich witt, springe ich erus un rette üch!“
