
Zopf und Rike und die Schweine aus dem Weltraum
Kapitel achtzehn, in welchem ein Rettungsplan glückt, allerdings anders als geplant
"Sag das nochmal," sagte Schrusch. Und als Ärwin das nochmal sagte, lag der Krustki im Gras und wälzte sich vor Lachen. Erst nach einer ganzen Weile hatte er sich beruhigt und konnte antworten: "Wenn du mich so nett fragst, kann ich ja gar nicht mehr ´Nein´ sagen" sagte er. Denn das war das, worunter er am meisten litt, auf dem Planeten Krustki: die hatten hier einfach keinen Humor und deswegen waren sie auch meistens so böse. Denn nur wer über sich und andere lachen kann, der kann auch freundlich sein und sogar anderen helfen. Schrusch war so gesehen sowieso auf dem falschen Planeten und als Ärwin ihn ansprach, da merkte er das wieder einmal. Er hatte sich also schon entschieden.
"Wie willst du das denn alles machen: euer Raumschiff kapern, deine Crew befreien und schließlich aus dem gut bewachten Raumhafen ins All fliehen? Und dann haben wir hier immer noch die bessere Technik. Die Anderen hätten uns in Nullkommanix eingeholt." Gerade als er das gesagt hatte, wurde er von Kol und Vol überwältigt und diesmal lachte der Lungenfisch: "siehste, dat erste Problem is ad jelööst." Er meinte natürlich die Befreiung der Pomponeller. Allerdings - wer die Pomponeller kennt, weiß auch, dass das das kleinste der drei Probleme war. Denn Pomponeller lassen sich zwar nicht so einfach einsperren aber Raumschiffe lassen sich natürlich auch nicht so einfach kapern. Dann sagte Ärwin zu seinen Freunden: "Losst en loss, dat is dä Schrusch, un ihr müsst in uch nit fesshalde, he will uns helfe."
Unsere Freunde mussten jetzt den nächsten Schritt planen und es musste schnell gehen, denn schon bald würde man bemerken, dass sie geflohen waren und würde sie natürlich suchen. Sie setzten sich deshalb in den verborgenen Winkel hinter einem Geräteschuppen und fingen leidenschaftlich an zu debattieren. Zehn Minuten lang stritten und argumentierten sie und dann wurde folgender, aberwitziger Plan ausgeführt:
Ärwin schlich sich wieder zur Wagemut II. Er wartete erst einige Zeit, bis die Krustkis Pause machten. Dann kletterte er die Treppe hoch und versteckte sich im Maschinenraum. Kurz darauf wurde es auf dem Raumhafen der Krustkis turbulent. Schrusch lief über die Landebahn und die fünf Pomponeller rannten hinterher. Dabei rief er laut: "Hilfe, Hilfe. Die Pomponeller haben sich befreit und wollen mich entführen! Helft mir doch." Er rannte auf ein startbereites Raumschiff zu. Immer lauter rief er: "Hilfe, zu Hilfe!" Kurz bevor sie das Raumschiff erreicht hatten, fingen die Pomponeller den armen Schrusch ein. Er musste ein paar Knüffe einstecken und alle purzelten übereinander. "Nicht so heftig," flüsterte Schrusch erschreckt und Vol antwortete: "Es muss aber schon ein bisschen echt aussehen." Dann schleppten sie ihren Gefangenen, der laut stöhnte, in das Raumschiff und schlossen die Luke.
Die anderen Krustkis waren sehr schnell auf den Tumult aufmerksam geworden. Sie ließen alles stehen und liegen und rannten den Flüchtenden hinterher. Als sie dann aber erkannten, dass sie die Pomponeller nicht mehr einholen würden, wechselten sie schnell die Richtung und rannten stattdessen zu ihren Raumschiffen. Während dessen startete Schrusch sein Raumschiff mit einem Blitzstart. dabei wurde eine riesige Menge Rauch und Staub aufgewirbelt und dies nutzten die Pomponeller, um kurz bevor die "Donnerschlag", das Raumschiff von Schrusch, abhob, die Notluke zu öffnen, eine Matratze auf den Boden zu werfen und rauszuspringen. Noch bevor sich der Staub verzogen hatte, zogen die Pomponeller die Matratze in ein Gebüsch und schlichen verdeckt zur Wagemut II. Nur der Professor hatte sich das Knie an einem Stein gestoßen. Er steckte diesen Stein in seine Tasche und humpelte zum Raumschiff. Sobald die Luft rein war, würden sie starten und sich später dann mit Schrusch treffen. Als Treffpunkt hatten sie vorher noch ausgemacht, zur Erde zu fliegen und am Meteoriten in drei Tagen gemeinsam eine Tasse heißen Schlamm zu trinken.
Schrusch wusste zwar nicht, wie heißer Schlamm schmeckt und wo der Meteorit sein sollte, aber er wollte auf jeden Fall pünktlich sein.
Er war es allerdings auch, dessen Raumschiff jetzt verfolgt wurde. Die Krustkis hatten ja gesehen, dass die Pomponeller ihn in das Raumschiff gezerrt hatten und dann in einer riesigen Staubwolke geflohen waren.
"Die Pomponeller können das Raumschiff ja gar nicht steuern. Die kennen unsere Technik gar nicht - das konnte man schon an dem staubigen Start sehen. Die haben wir doch in kürzester Zeit eingeholt," rief der Kommandant der Krustkis, "immer zwei Leute in ein Raumschiff und dann umzingeln wir die Pomponeller. Die sollen uns kennenlernen." Und so schwärmten die Krustkis aus. Zuerst auf dem Raumhafen und als dann in jedem Jagdraumschiff zwei der Bösewichte saßen, starteten sie ihre Raumschiffe butterweich und ohne die kleinste Staubwolke und jagten der "Donnerschlag" hinterher.
Jetzt konnten die Pomponeller in aller Ruhe fliehen. Sie warteten einfach zehn Minuten, bis die Luft rein war und kein Krustkiraumschiff mehr zu sehen war und starteten mit der Wagemut II. Allerdings machte der Kommandant große Augen, als er sich die Kommandozentrale seines Raumschiffes anguckte: mindestens sieben Knöpfe, drei Hebel und einige Kontrollleuchten waren neu. Um zu erfahren, wofür die eingebaut wurden, musste er den Lungenfisch fragen, obwohl ihn das sehr störte. Er glaubte ja nicht, dass ein Tier, welches erst vor wenigen Wochen sprechen gelernt hatte, eine Hilfe sein könnte. Fridi jedoch zwinkerte Ärwin heimlich zu und der setzte sich ganz stolz und unbequem in den Kopilotensessel und erklärte alles:
"Jezz luurens he," sagte er. "De Krustkis han he alles mööschlische injebautt. Alles tippitoppi. Unnen Zupperantrieb. Die is jetz esu flöck da lägs de de Ohre an. Rappzapp bis de wo anders." Vol und Kol lagen am Boden vor Lachen und Fridi auch. Der Professor musste auch grinsen. Nur der Kommandant raufte sich die Borsten. "Jetzt erklär mir das mal etwas genauer, sonst sind die Krustkis wieder zurück bevor wir gestartet sind." Und der Lungenfisch erklärte es genauer. Er hatte ja genau aufgepasst und die Pomponeller staunten nur. So viel technisches Verständnis hätten sie der Amphibie gar nicht zugetraut. Nach wenigen Minuten hatte der Kommandant alles verstanden und startete die Wagemut. Sie verhielt sich genauso wie zuvor und die Pomponeller waren schon etwas enttäuscht. Da sagte Ärwin: "Jetz wöör de juude Gelägeheid, sisch aan ze schnalle."
Keinen Augenblick zu früh waren unsere Freunde in ihren Sesseln gesichert als der Kommandant Vollgas gab. Er rief noch: "Jetzt aber nichts wie weg!" Dann wurden sie alle ohnmächtig. Nach wenigen Augenblicken jedoch waren sie schon wieder wohlauf. Vol schüttelte sich kurz und fragte: "Was war das denn?" Alles war wieder normal, dachten alle. Aber als sie dann aus dem Fenster schauten, mussten sie sich doch wundern. So hatten sie die Sterne noch nie gesehen. Die Farben waren ganz anders als sonst und alles bewegte sich schneller als gewohnt. So schnell, dass die Sterne wie lange helle Striche aussahen. "Dat is dä Zupperantrieb," rief Ärwin und zeigte auf eine klitzekleine Leuchte in der Kontrolleinheit. Sofort schaltete der Kommandant den schnellen Antrieb wieder aus und nachdem sie sich aus den Sicherheitsgurten befreit und ihre blauen Flecken versorgt hatten schauten sie in den Sternkarten nach, wo sie sich befanden. "Hey," rief der Professor, "wir sind ja ganz in der Nähe von Krawack. Und die Krustkis haben uns neue Spinde eingebaut. Wie wär´s, wenn wir uns mal wieder zu einem Seifenkistenrennen verabreden würden?" Dieser Vorschlag fand sofort Zustimmung bei allen anderen und so kam es, dass die Pomponeller ihre Verabredung zu einer Tasse heißen Schlammes am Kometen verpassten.
Wie erging es aber Schrusch mit seinem Raumschiff Donnerschlag? Er hatte die weitaus schwerere Aufgabe zu lösen. Fünfzehn Jagdraumschiffe waren hinter ihm her und sein Vorsprung betrug gerade mal zehn Minuten. Um es kurz zu machen: auch er verpasste die Verabredung. Er war zwar viel früher da als die Pomponeller, denn er musste mit seiner Raumschiff- Höchstgeschwindigkeit fliegen und er unterbrach seine Reise nicht für ein Seifenkistenrennen. Aber auch er war ungefähr einige Millionen Jahre zu spät. Allerdings schaffte er es, den Krustkis zu entkommen. Bis auf ein Raumschiff hatte er alle abgehängt doch das blieb hartnäckig hinter ihm.
In diesem Raumschiff saßen Schtisch und Satasch. Dann, als er nur noch einige wenige Millionen Milliarden Kilometer vor sich hatte und seine Verfolger immer näher kamen, drückte er den geheimnisvollen "Letzte-Chance-Knopf". Dazu musste er erst dreimal bestätigen, dass wirklich ein Notfall vorlag und dann musste er den Knopf dreißig Sekunden gedrückt halten während er fünf andere Knöpfe und einen Hebel in einer bestimmten Reihenfolge betätigte. Das führte dazu, dass Schtisch und Satasch so nah kamen, dass sie sich in sein Steuersystem einloggen konnten und den Zielplaneten "Erde" erkannten. Als dann Schrusch im allerletzten Moment auf "Fast-Lichtgeschwindigkeit und noch ein Bisschen mehr" beschleunigte, sagte Satasch zu Schtisch: "Lass sie fliegen. Wir wissen ja, wo sie hinwollen. Jetzt werden wir nicht noch im letzten Moment unser Raumschiff zerstören. Und weil die Pomponeller sicher nicht wissen, wie sie wieder bremsen können, müssen wir nachher nur noch ihre Trümmer einsammeln." Die beiden dachten immer noch, dass vor ihnen im Raumschiff die Pomponeller waren.
So kam es, dass Schrusch als erster auf der Erde ankam. Wegen der Zeitveränderung durch die superschnelle Reise, dauerte es noch drei Jahre, bis Schtisch und Satasch auch die Erde erreichten und weitere zwei Jahre, bis die Pomponeller dann endlich eintrafen. Sie hatten den Krawack-Pokal im Seifenkistenrennen wieder gewonnen und für sie waren danach nur drei Reisetage vergangen. Deshalb war ihnen gar nicht bewusst, dass sie den armen Schrusch so lange warten ließen. Der wusste seine Zeit auf der Erde jedoch gut zu nutzen. Zunächst einmal stellte er fest, dass er keine Verfolger mehr hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich wirklich frei. Drei Monate nahm er sich Zeit, über die Erde zu fliegen und sich aus sicherer Entfernung den Planeten zu betrachten. Dabei geriet er immer mehr ins Schwärmen: was für ein schöner Planet. Einige Wochen erkundete er die Erde nun genauer. An den Polkappen gab es Eis und in den Hochgebirgen auch. Mehr als zwei Drittel war von Wasser bedeckt. Aber das war keinesfalls langweilig. Immer wieder gab es wunderschöne Inseln zu sehen. In der Nähe des Äquators waren sie umgeben von hellblauem Wasser. Korallenriffe in schillernden Farben schützten die weißen Strände und Schrusch zog des Öfteren seine Badehose an, um in den fremden Gewässern zu schwimmen und zu tauchen. Aber auch die Gegenden zwischen den kalten Eisfeldern und den heißen Wüsten und exotischen Wäldern fand er sehr einladend. Hier war es nicht so heiß. Also wuchsen dort viele Pflanzen. Und als er sich das Ganze einige Zeit angesehen hatte, kam er zu dem Schluss, dass hier seine Heimat werden sollte. Er hatte zwar keine Ahnung, wie das Leben auf der Erde so vor sich ging. Aber er hatte schon bemerkt, dass es Lebewesen gab, die aussahen wie er. Die betrieben Ackerbau und Viehzucht und hatten Dörfer und Städte gebaut, in denen sie zusammen wohnten und sich meistens vertrugen. Hier wollte er eine Zeit lang leben. Wenn er auch vom Leben auf der Erde keine Ahnung hatte - seine Dienste als kräftiger Helfer konnte er auf jeden Fall anbieten und damit würde er ein Auskommen haben.
Mit dem Hohlraumdetektor in seinem Raumschiff fand er bald eine Höhle in der Nähe eines kleinen Dorfes. Das Raumschiff passte so gerade hinein und in kurzer Zeit war der Höhleneingang mit Steinen abgedeckt. Auch seine komplette technische Ausrüstung, Raumanzug und Helm war in der Höhle hinter einer doppelten Lage Steinen verborgen. Seine Steinwand hatte schon bald Eidechsen angelockt, die sich in den Steinspalten sonnten. Schrusch freute sich über diesen Anblick, dann schlenderte er pfeifend in Richtung Dorf. Auf seinem Weg gab es noch viele weitere Anblicke, die sein Herz höher schlagen ließen. Weit oben auf einem Berg war sein Raumschiff versteckt und jetzt hatte er auf seinem Weg ins Tal eine wunderbare Aussicht. Schroffe Felsen wechselten sich ab mit weiten Wiesen und kleine blaue Seen waren in der Landschaft versteckt. Auf den Wiesen grasten große Tiere, wie er sie noch nie gesehen hatte und im Schlamm neben einem Holzverschlag spielten andere Tiere, die fast wie Pomponeller aussahen, aber etwas kleiner waren. Schrusch sprach sie an und da er von Fridi ein Übersetzungsbrötchen bekommen hatte, kurz bevor sie sich getrennt hatten, konnte er auch gut verstehen, was diese Tiere sagten. Zunächst war er sich sehr sicher, dass es wirklich Pomponeller waren, denn sie unterhielten sich über Würmer und Schlamm, aber als er dann fragte ob Kol und Vol und die anderen schon da wären, bekam er nur fragende Blicke. Die genannten Schweine wären hier völlig unbekannt und er solle doch den Bauern fragen.
Der Bauer stand schon hinter Schrusch. Er fragte: "Wer bist du denn? - Und warum sprichst du mit meinen Schweinen?" So kamen die Beiden ins Gespräch, denn dem Bauern war einer, der mit Schweinen spricht, sehr sympathisch. Schrusch fing an, auf dem Bauernhof zu arbeiten. Irgendwann im folgenden halben Jahr verliebte sich die Tochter des Bauern in ihn und zwei Monate später verliebte er sich auch in die Tochter. Noch ein halbes Jahr später heirateten die Beiden und als die Krustkis auf die Erde kamen, hatten sie schon zwei Kinder. Die Krustkis suchten ihn zwar, fanden ihn aber nicht, denn er hatte sich einen ganz anderen Ort zum Leben ausgesucht, als den Treffpunkt, der in seinem Raumschiff gespeichert war. Da er fast genauso aussah, wie alle anderen Menschen und seine Ohren meistens unter einem Schlapphut versteckt waren, konnte er ganz in Ruhe bleiben wo er war.
Unsere Geschichte ging also ohne Schrusch weiter - und zwar viel spannender.
